Zürich/Berlin (Reuters) - Tiefpreise von chinesischen Anbietern bringen die Schweizer Solarfirma Meyer Burger in Bedrängnis.

Falls die Politik der Branche nicht zu Hilfe eile, werde das Unternehmen die hohe Verluste schreibende Modulproduktion im deutschen Freiberg Anfang April schließen, warnte Meyer Burger am Mittwoch. Davon wären rund 500 Mitarbeiter betroffen. Eine endgültige Entscheidung müsse bis zur zweiten Februarhälfte 2024 getroffen werden. Um die Zukunft zu sichern, suche Meyer Burger zudem frische Finanzmittel. An der Börse brachen die Titel um 30 Prozent ein. Seit Juli 2023 hat die Aktie 84 Prozent an Wert verloren.

Ein starker Anstieg der chinesischen Produktionsüberkapazitäten sowie von Indien und den USA verhängte Handelsbeschränkungen führten der Firma zufolge im vergangenen Jahr zu einem erheblichen Überangebot auf dem europäischen Solarmarkt. Dies beeinträchtige die Umsetzung der Unternehmensstrategie. In China und den USA profitierten die Hersteller dagegen von einer umfassenden Industriepolitik. Teilweise kämen Solarprodukte zu 25 Prozent oder 50 Prozent der Herstellkosten in China nach Europa, erklärte Meyer-Burger-Chef Gunter Erfurt. "Da können europäische Unternehmen, die keinerlei Unterstützung kriegen und nicht hoch subventioniert werden wie die Chinesen natürlich nichts machen." Er forderte, dass die europäische Politik die bereits angedachten Maßnahmen endlich umsetze. "Europa irrlichtert nach wie vor in dieser neuen geopolitischen Realität und tut viel zu wenig."

Die Solarzellproduktion im deutschen Thalheim solle weiterhin den Produktionshochlauf der Solarmodulproduktion im US-Werk in Goodyear unterstützen. Auch den Maschinenbau und die Forschungs- und Entwicklungsstandorte in der Schweiz und in Deutschland will die Firma weiter betreiben.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits vor fast einem Jahr in Aussicht gestellt, die verbliebene Solarindustrie in Deutschland zu stützen und womöglich wieder aufzubauen. Zentrales Instrument sollte dabei bei den Ausschreibungen ein sogenannter Resilienz-Bonus sein: Wer für die Anlagen Komponenten mit einer bestimmten Wertschöpfung aus Deutschland oder Europa einsetzt, bekommt eine höhere Vergütung für den verkauften Strom aus dem Solarkraftwerk. Als zweites Kriterium könnte zudem der CO2-Effekt bei der Herstellung von Modulen und anderen Komponenten herangezogen werden, der bei der Produktion in Deutschland meist geringer als in China ist.

Das Konzept sollte eigentlich im sogenannten Solarpaket der Regierung schon im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht werden. In der Ampel-Koalition gibt es aber Widerstand vor allem von der FDP. Sie sieht dies als Marktverzerrung, die Solaranlagen teurer macht. Zudem würde zunächst mit Meyer-Burger praktisch nur ein Unternehmen profitieren. Die Firma ist das einzige verbliebene größere Unternehmen mit Solarproduktion in Deutschland.

Meyer Burger rechnet für 2023 bei einem Umsatz von 135 Millionen Franken mit einem operativen Verlust (Ebitda) von mindestens 126 Millionen Franken. Das Unternehme habe 2023 mit einem Barmittel-Bestand von etwa 150 Millionen Franken beendet und brauche Finanzmittel in Höhe von rund 450 Millionen Franken, bis es einen positiven Cashflow erziele. Dies werde für 2025 erwartet.

Meyer Burger habe eine Investmentbank mandatiert, um die strategischen Optionen zu prüfen und die Finanzierungsposition zu verbessern. So könnte das Unternehmen Partnerschaften mit Industrieunternehmen eingehen oder Technologielizenzen vergeben. Die Firma befinde sich auch in fortgeschrittenen Gesprächen mit dem deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz über eine von Euler Hermes gedeckte Exportfinanzierung und verfolge auch zusätzliche Finanzierungsoptionen wie Darlehen des US-Energieministeriums. Darüber hinaus erwäge man die Beschaffung von Eigenkapital, vor allem zur Finanzierung des Baus von Zell- und Modulwerken in den USA.

Die Eckdaten für 2023 lägen weit unter den Markterwartungen, urteilte ZKB-Analyst Bernd Laux. Damit dürfte die Liquidität nur noch wenige Monate ausreichen. Das Überleben des Unternehmens sei nicht gesichert. Der Umbau von einem Ausrüster zu einem Hersteller von Solarmodulen bleibe schwierig und die Erfolgsbilanz falle bisher mager aus, erklärte Marcus Bäumer von der Luzerner Kantonalbank. "Die Energiewende sollte grundsätzlich stützen, aber Probleme beim Hochfahren der Produktion und fallende Preise für Solarmodule behindern das Umsatzwachstum und die geplante Verbesserung der Profitabilität erheblich."

(Bericht von Oliver Hirt und Markus Wacket, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)