FRANKFURT (Dow Jones)--Siemens hat mit der Ankündigung einer milliardenschweren Wertberichtigung auf seine Siemens-Energy-Restbeteiligung Ende Juni quasi seine Gewinnwarnung für das dritte Quartal schon ausgegeben: Analysten rechnen fest damit, dass die Jahresprognose nicht mehr haltbar ist, da die Neubewertung das Nettoergebnis mit 2,8 Milliarden Euro belastet. Umso entscheidender für die Stimmung der Anleger wird sein, ob Siemens angesichts der erkennbaren konjunkturellen Eintrübung seine operativen Ziele halten kann. Der Technologiekonzern legt am frühen Donnerstagmorgen seine Zahlen vor.
Darauf werden Anleger achten:
ZAHLEN: Die Bahntechniksparte reißt nach Einschätzung von Beobachtern alles raus in diesem Quartal. Dort wird eine Vervierfachung des Gewinns erwartet, womit Siemens im industriellen Geschäft etwa ein Drittel mehr verdient haben könnte, schätzen Analysten. Bei 9 Prozent erwartetem Wachstum im Konzern, das überdies ordentlich Rückenwind vom starken Dollar bekommen haben sollte, wäre dies kein schlechtes Ergebnis. Der zuletzt stetig gestiegene Auftragseingang könnte sich aber leicht abgeschwächt haben. Unter dem Strich wird die milliardenschwere Energy-Abschreibung durch den Erlös aus dem Verkauf von Yunex Traffic in Höhe von 950 Millionen Euro gemindert.
PROGNOSE: Siemens konnte die beiden wesentlichen Portfolioverkäufe mit zusammen rund 2 Milliarden Euro Erlös, mit deren Hilfe die Kosten für den Russland-Ausstieg kompensiert werden sollte, rechtzeitig umsetzen. Die Wertminderung von 2,8 Milliarden Euro auf die Energy-Aktien hat die Konzernführung am Ende aber kalt erwischt. Analysten rechnen deshalb damit, dass der Vorstand die Zielspanne für den Gewinn je Aktie (vor Kaufpreisallokationen) von 8,70 bis 9,10 Euro für das aktuelle Geschäftsjahr senken muss. Ihr Konsens liegt bei knapp unter 6 Euro Gewinn pro Aktie. Was die Umsatz- und Margenziele angeht, folgen die Analysten den Siemens-Zielspannen, nehmen aber Zahlen an, die an deren unteren Enden liegen.
ANTEILSVERKAUF: Nach der Wertberichtigung auf das 35-prozentige Siemens-Energy-Aktienpaket im Besitz von Siemens ist der Weg jetzt eigentlich frei, sich wie geplant von großen Paketen zu trennen. 25 Prozent stehen zur Disposition. Die Frage ist, ob man in München weiter auf steigende Kurse hofft: Denn der Turnaround bei der Enkelgesellschaft Siemens Gamesa, soviel ist klar, wird sich über Jahre hinziehen. Überdies steht bei Energy schon bald eine Kapitalerhöhung ins Haus, mit der die milliardenschwere Komplettübernahme der spanischen Windtochter teilfinanziert werden soll. Energie- und Klimakrise sprechen allerdings dafür, an Siemens Energy festzuhalten. Es wird interessant sein, ob und wie Siemens-Finanzchef Ralf Thomas sich zu dem Thema äußert.
ZUKÄUFE: Nach den großen Portfolioverkäufen ist Siemens zuletzt wieder auf Einkaufstour gegangen. Ladetechnik für Elektroautos war dabei ein Ziel, ein anderes Software für Anlagen- und Wartungsmanagement. Knapp 1,6 Milliarden Dollar legten die Münchner etwa Ende Juni für Brightly Software auf den Tisch. Zu Jahresbeginn hatte Vorstandschef Roland Busch noch erklärt, große Zu- und Verkäufe seien nicht mehr geplant. Vielleicht hat sich an dieser Position ja etwas geändert.
BESCHAFFUNG: Lieferkettenprobleme stellen Siemens seit geraumer Zeit vor Herausforderungen. Bisher konnten sie gelöst werden. Das große Risiko verlängerter Lockdown in China hat sich zuletzt zwar nicht materialisiert, gleichwohl dürften sich die Einschränkungen in Schanghai im Frühjahr in den Zahlen bemerkbar machen.
Nachfolgend eine Auswertung der Prognosen von Analysten zum dritten Quartal und für das Gesamtjahr 2021/22:
=== . PROG PROG PROG 3. QUARTAL 3Q21/22 ggVj Zahl 3Q20/21 Auftragseingang 19.824 -3% 18 20.486 Umsatz 17.474 +9% 21 16.085 Erg Industrielles Geschäft 3.024 +33% 21 2.266 Ergebnis nach Steuern -400 -- 20 1.480 Ergebnis je Aktie -0,66 -- 20 1,68 Ergebnis je Aktie vor PPA -0,42 -- 18 1,89 Umsatz Sparten Digital Industries 4.735 +13% 22 4.176 Smart Infrastructure 4.213 +12% 22 3.770 Mobility 2.393 +6% 22 2.258 Ergebnis Digital Industries 892 +5% 22 847 Smart Infrastructure 519 +21% 22 428 Mobility 808 +302% 21 201 Ergebnis-Marge bereinigt Digital Industries 18,8 -- 22 20,3 Smart Infrastructure 12,3 -- 22 11,4 Mobility 33,8 -- 21 8,9 Industrielles Geschäft 18,3 -- 21 14,9 . PROG PROG PROG GESAMTJAHR Gj21/22 ggVj Zahl Gj20/21 Auftragseingang 85.499 +20% 17 71.374 Umsatz 69.431 +12% 20 62.265 Erg Industrielles Geschäft 9.967 +13% 20 8.786 Ergebnis nach Steuern 4.812 -28% 19 6.697 Ergebnis je Aktie 5,23 -32% 19 7,68 Ergebnis je Aktie vor PPA 5,97 -28% 19 8,32 Dividende je Aktie 3,96 -1% 4 4,00 ===
ERLÄUTERUNGEN:
- Angaben in Millionen Euro, Ergebnis je Aktie und Dividende in Euro, Margen in Prozent
- Bilanzierung nach IFRS
- Quellen: Angaben des Unternehmens, Prognose für Dividende von S&P Global Intelligence
- ggVj = Veränderung in Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum
- das Geschäftsjahr läuft vom 1. Oktober bis 30. September
- alle Angaben ohne Gewähr
Kontakt zum Autor: olaf.ridder@wsj.com
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August 09, 2022 09:00 ET (13:00 GMT)