Von Andreas Kißler

FREIBURG/BERLIN (Dow Jones)--Das Centrum für Europäische Politik (CEP) rechnet mit einem Erfolg eventueller Klagen gegen das umstrittene Vorhaben der EU-Kommission, Atomkraft und Erdgas für nachhaltig zu erklären. Sie sehe "einen Hebel, die Taxonomie juristisch zu stoppen", erklärte die Freiburger Denkfabrik. "Europarechtlich darf die Kommission nicht über die Nachhaltigkeit von Atomenergie und Erdgas entscheiden", betonte CEP-Jurist Götz Reichert, der das Vorhaben mit CEP-Ökonom Philipp Eckhardt analysiert hat.

"Die Kommission hat sich mit der Taxonomie-Verordnung in eine doppelte Falle manövriert: politisch in der Frage, was als ökologisch nachhaltig gelten soll, rechtlich in der Frage, ob sie zur Entscheidung darüber überhaupt ermächtigt werden kann", sagte Eckhardt. Mit ihrem faktischen Taxonomie-Monopol habe sich die Kommission das Recht übertragen lassen, Wirtschaftstätigkeiten als "ökologisch nachhaltig" einzustufen. Eine Einstufung sei jedoch, wie die aktuelle Kontroverse beweise, zumindest für Atomenergie und Erdgas hochumstritten.

Genau aus diesem Grund müsste eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) laut Reichert Erfolg haben, da es sich nicht nur um eine "nicht wesentliche", technische Detailregelung handelt. "Der EuGH müsste daher urteilen, dass der delegierte Rechtsakt gegen den Wesentlichkeitsvorbehalt zugunsten des EU-Gesetzgebers verstößt und daher nichtig ist", erklärt Reichert. Die Bundesregierung habe in ihrer Stellungnahme deutlich gemacht, dass sich Deutschland zumindest die Option offenhalte, vor dem EuGH zu klagen.

Die Kommission hatte am 31. Dezember 2021 den Entwurf für einen delegierten Rechtsakt zur EU-Klimataxonomie vorgelegt, nach dem sie Atomenergie und Erdgas als "ökologisch nachhaltig" einstufen will. Deutschland hat die Einstufung von Atomkraft als nachhaltig zurückgewiesen, Österreich und Luxemburg haben bereits Klagen angekündigt.

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January 25, 2022 08:57 ET (13:57 GMT)