Der Umsatz wuchs zwischen 4,5 und 4,9 Prozent im Vergleich zu 2016, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in einer Schätzung auf Basis von Daten für die ersten elf Monate mitteilte. "Das ist der kräftigste Zuwachs seit Beginn dieser Erhebung 1994", hieß es. Experten rechnen angesichts guter Rahmenbedingungen damit, dass der Einzelhandel 2018 bereits das neunte Jahr in Folge wächst. Allerdings profitieren längst nicht alle Geschäfte vom Aufwärtstrend: In den kommenden Jahren dürften erneut viele Läden verschwinden.

"Die gute Arbeitsmarktentwicklung mit dem kräftigen Beschäftigungswachstum hat zu Einkommenszuwächsen geführt, die zum größten Teil in die Konsumausgaben geflossen sind", erklärte DZ-Bank-Ökonom Michael Holstein den Höhenflug des Einzelhandels. So stieg die Zahl der Erwerbstätigen im vergangenen Jahr um 638.000 auf den Höchstwert von 44,3 Millionen, während die der Arbeitslosen so niedrig ist wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. "Die Angst vor einem Jobverlust sinkt dadurch", sagte Experte Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). "Das sorgt für Planungssicherheit bei den Verbrauchern, die deshalb eher bereit sind zu größeren Ausgaben."

Durch die starke Zuwanderung - vor allem aus anderen EU-Ländern und durch Flüchtlinge - leben derzeit mit rund 83 Million so viele Menschen und damit auch Konsumenten in Deutschland wie noch nie. Außerdem stiegen die Tarifverdienste 2017 mit 2,3 Prozent erneut schneller als die Preise, was die Kaufkraft vieler Verbraucher stärkt. "Hinzu kommen die extrem niedrigen Zinsen, die das Sparen unattraktiv machen", sagte Bürkl. Er sagt dem Einzelhandel auch für dieses Jahr gute Geschäfte voraus. "Die Rahmenbedingungen bleiben gut und verbessern sich sogar", begründete er. "Die Signale bleiben deshalb auf Grün." Dem Ifo-Institut zufolge dürfte die Zahl der Beschäftigten in diesem Jahr um eine halbe Million steigen.

LADENSTERBEN TROTZ UMSATZBOOM

Allerdings geht es längst nicht allen Einzelhändlern gut. Nach Prognose des Branchenverbandes HDE könnten in den fünf Jahren bis 2020 bundesweit bis zu 50.000 Läden verloren gehen. "Ein Grund dafür ist die demografische Entwicklung in einigen Regionen", sagte HDE-Sprecher Stefan Hertel angesichts des Trends, dass es vor allem viele Jüngere in Großstädte wie Berlin, Hamburg und München zieht. "Auch der Online-Handel ist eine große Herausforderung, für unsere Branche ist dies der größte Strukturwandel seit Einführung der Selbstbedienung." Viele Unternehmen fahren inzwischen zweigleisig und haben Online-Kanäle aufgebaut. Nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform gaben allein im vergangenen Jahr fast 4300 Händler auf. Dazu gehört beispielsweise die Erotikkette Beate Uhse, die Mitte Dezember Insolvenz anmeldete.[nL8N1OF1W3][nL8N1OX15Z]

2017 stellte sich der Internet- und Versandhandel einmal mehr als der größte Wachstumstreiber heraus. Er expandierte in den ersten elf Monaten um 9,6 Prozent. So hat sich das erst 2008 gegründete Berliner Unternehmen Zalando zu Europas größtem Online-Modehändler gemausert, der seinen Umsatz in den ersten drei Quartalen 2017 um fast ein Viertel auf knapp 3,2 Milliarden Euro steigerte. Auch das Geschäft mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren läuft gut: Hier gab es in den ersten elf Monaten eine Umsatzsteigerung von 5,7 Prozent. Der Facheinzelhandel mit Lebensmitteln meldete dagegen nur einen Umsatzzuwachs von 1,4 Prozent.