FRANKFURT (Dow Jones)--Die geldpolitische Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) setzt Europas Börsen am Donnerstagnachmittag unter erheblichen Abgabedruck. Die Notenbank hat wie erwartet die Leitzinsen um 50 Basispunkte erhöht. Belastend wirkt allerdings die Anhebung der Inflationsprognosen. Nach den Worten von Präsidentin Christine Lagarde wird die EZB für einige Zeit das aktuelle Tempo ihrer Zinserhöhungen beibehalten. "Ein Ende der Zinssteigerungen in der Eurozone ist angesichts der hartnäckigen Inflation noch nicht absehbar. Es wird voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden als in den USA", heißt es von HQ Trust. Im Handel ist von einer falkenhaften EZB-Entscheidung die Rede - damit nähmen auch die Rezessionsrisiken zu.

Der DAX verliert 3,2 Prozent auf 13.994 Punkte, der Euro-Stoxx-50 handelt 3,5 Prozent schwächer bei 3.835 Punkten. Der Euro reagiert mit Aufschlägen auf die Entscheidung und steigt im Tageshoch auf 1,0736 Dollar, während am Anleihemarkt die Kurse nachgeben - die Renditen steigen also.

Daneben will die EZB an März mit dem Bilanzabbau aus ihrem APP-Programm beginnen, zunächst um 15 Milliarden Euro monatlich und bis Ende des zweiten Quartals. Der echte Test für die Märkte folgt nach Einschätzung von QC Partners denn auch erst ab März. "Indem die EZB die Rückzahlungsbeträge aus fälligen Anleihen nicht vollständig reinvestiert, wird sie dem Markt Liquidität entziehen", heißt es.


   Auch Fed wird Inflation wohl länger bekämpfen 

Vor der EZB hatte bereits eine falkenhaft aufgenommene geldpolitische Sitzung der US-Notenbank die Märkte belastet, genauso wie schwache Wirtschaftsdaten aus China. Die US-Notenbank hob die Leitzinsen wie erwartet um 50 Basispunkte an, gleichzeitig signalisierte sie, dass sie die Zinsen weiter anheben wird, um die hohe Inflation zu bekämpfen. Aus den neuen Projektionen lässt sich ablesen, dass der Leitzins im nächsten Jahr auf 5,00 bis 5,50 Prozent steigen wird; im September sah die Projektion noch eine Erhöhung auf etwa 4,60 Prozent vor. Dazu sind die Notenbanker in ihren Erwartungen für die Inflation und das Wirtschaftswachstum pessimistischer geworden.

Auch sind schwache US-Einzelhandelsumsätze nicht angetan, die Stimmung an den Finanzmärkten zu heben. Diese sanken im November um 0,6 Prozent, und damit viel stärker als die erwarteten 0,3 Prozent. Die Einzelhandelsdaten gelten als wichtiger Indikator für die Konsumausgaben der US-Verbraucher, die mit einem Anteil von rund 70 Prozent am Bruttoinlandsprodukt eine Schlüsselrolle für die US-Wirtschaft spielen.

Am Aktienmarkt werden Aktien von Logistikern verkauft. Deutsche Post im DAX fallen um 6,4 Prozent und Kühne & Nagel aus der Schweiz geben um 2,9 Prozent nach, Hapag-Lloyd halten sich mit Abgaben von 0,8 Prozent besser. "Der Markt war zu sehr konzentriert auf das Inflationsthema und ist jetzt erschreckt über den kräftig gesenkten Wirtschaftsausblick der Fed", meint ein Händler. Schließlich sei die US-Wachstumsprognose für 2023 deutlich reduziert worden von 1,2 Prozent in den September-Projektionen auf jetzt 0,5 Prozent.

Klar Schlusslichte bei den Branchen sind Einzelhandelswerte (-4,0%) zusammen mit den Techwerten (-4,4%). H&M verlieren 6,3 Prozent. Bei den am Morgen präsentierten Umsatzzahlen zum vierten Quartal hatten Händler mit einer etwas stärkeren Entwicklung gerechnet. Allerdings sei die Stimmung für die gesamte Branche nicht gut, weil in China die Einzelhandelsumsätze im November um 5,9 Prozent deutlicher als erwartet gesunken seien. Die zinssensiblen Techaktien werden derweil von den falkenhaften Kommentaren auf den US- und EZB-Notenbanksitzungen belastet.

Unter Druck stehen auch die stark vom Geschäft in China abhängige Aktien der Luxusproduktehersteller. LVMH, Hermes, Richemont und Kering verlieren bis zu 6,1 Prozent.

Für die Metro-Aktie geht es um 0,6 Prozent nach unten. Der Großhandelskonzern lässt das zweite Jahr in Folge die Dividende ausfallen, nachdem er im abgelaufenen Geschäftsjahr den Verlust ausgeweitet hat. Die Mittelfristziele hob das Unternehmen - inflationsbedingt - aber an.

Ceconomy verlieren 11,4 Prozent. Das Unternehmen verbuchte im abgelaufenen Geschäftsjahr unter dem Strich einen Gewinn, der aber deutlich geringer als im Vorjahr ausfiel. "Der Markt mag wahrscheinlich den Margenrückgang nicht und den unsicheren Ausblick", heißt es im Handel. Bryan Garnier spricht von einem sehr breiten Prognosespanne.


   Siemens Healthineers soll Interesse an Medtronic-Teilen haben 

Siemens Healthineers geben um 5,8 Prozent nach. Im Handel wird auf einen "Bloomberg"-Artikel verwiesen. Danach soll das Unternehmen Interesse an Teilen des Medizintechnikkonzerns Medtronic haben. Auch GE Healthcare soll Interesse an der Sparte haben, die unter anderem Beatmungsgeräte für den Einsatz bei Lungenerkrankungen herstellt. Die Transaktion könnte laut dem Bericht ein Volumen von mehr als 7 Milliarden Dollar haben.

Munich Re handeln 2,6 Prozent im Minus, nachdem der Rückversicherer eine Gewinnprognose von 4 Milliarden Euro für 2023 abgegeben hat, die auf einer neuen verpflichtenden Rechnungslegung basiert. Diese könnte laut Jefferies deutlich steigen, nicht nur durch die Änderung der Bilanzierung, sondern auch die Preissteigerung im Markt insgesamt.


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Aktienindex              zuletzt        +/- %     absolut  +/- % YTD 
Euro-Stoxx-50           3.834,52        -3,5%     -140,74     -10,8% 
Stoxx-50                3.691,95        -3,0%     -114,32      -3,3% 
DAX                    13.993,71        -3,2%     -466,49     -11,9% 
MDAX                   25.323,61        -2,1%     -551,23     -27,9% 
TecDAX                  2.978,60        -3,3%     -101,20     -24,0% 
SDAX                   11.899,07        -2,4%     -287,25     -27,5% 
FTSE                    7.414,31        -1,1%      -81,62      +1,5% 
CAC                     6.508,81        -3,3%     -221,98      -9,0% 
 
Rentenmarkt              zuletzt                  absolut    +/- YTD 
Dt. Zehnjahresrendite       2,10                    +0,16      +2,28 
US-Zehnjahresrendite        3,47                    -0,00      +1,96 
 
DEVISEN                  zuletzt        +/- %    Do, 8:29  Mi, 17:10    % YTD 
EUR/USD                   1,0699        +0,2%      1,0654     1,0645    -5,9% 
EUR/JPY                   146,49        +1,3%      144,61     143,66   +11,9% 
EUR/CHF                   0,9910        +0,4%      0,9874     1,0821    -4,5% 
EUR/GBP                   0,8700        +1,2%      0,8602     0,8587    +3,5% 
USD/JPY                   136,90        +1,1%      135,77     134,93   +18,9% 
GBP/USD                   1,2298        -1,0%      1,2387     1,2399    -9,1% 
USD/CNH (Offshore)        6,9724        +0,3%      6,9637     6,9480    +9,7% 
Bitcoin 
BTC/USD                17.465,71        -2,1%   17.729,69  18.088,87   -62,2% 
 
ROHÖL                    zuletzt  VT-Settlem.       +/- %    +/- USD    % YTD 
WTI/Nymex                  76,39        77,28       -1,2%      -0,89   +10,3% 
Brent/ICE                  82,30        82,70       -0,5%      -0,40   +13,6% 
GAS                               VT-Settlem.                +/- EUR 
Dutch TTF                 134,30       131,51       +2,1%      +2,79  +102,2% 
 
METALLE                  zuletzt       Vortag       +/- %    +/- USD    % YTD 
Gold (Spot)             1.784,25     1.807,35       -1,3%     -23,11    -2,5% 
Silber (Spot)              23,37        23,98       -2,5%      -0,61    +0,2% 
Platin (Spot)           1.014,15     1.029,05       -1,4%     -14,90    +4,5% 
Kupfer-Future               3,84         3,88       -1,0%      -0,04   -13,0% 
 
YTD bezogen auf Schlussstand des Vortags 
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December 15, 2022 10:12 ET (15:12 GMT)