Von Paul Hannon und Humza Jilani

MADRID (Dow Jones)--Spanien hat bemerkenswerte Erfolge bei der Eindämmung der Inflation erzielt. Aber für die Wähler wird es wohl eine Weile dauern, bis sich die Vorteile auszahlen. Aller Voraussicht nach dürfte es zu lange sein, um bei der Wahl am Sonntag einen Unterschied zu machen. Die Abstimmung an diesem Wochenende wird über die Zusammensetzung der nächsten Regierung entscheiden.

Sie gilt auch als Testfall dafür, ob die Wähler das Gefühl haben, dass der schlimmste Teil der jüngsten Inflation nachlässt, oder die Wut über die Lebenshaltungskosten nach wie vor anhält.

Dies ist eine Lektion für die USA, wo die Inflation bei den Zwischenwahlen im vergangenen Jahr die Unzufriedenheit mit den Demokraten angeheizt hat und bei der Präsidentschaftswahl 2024 eine wichtige Rolle spielen könnte.


Teuerung unter EZB-Ziel 

Spaniens jährliche Jahresteuerung ist in diesem Jahr gesunken und fiel im Juni unter das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2 Prozent. Mit 1,6 Prozent lag sie deutlich unter der Rate von 5,5 Prozent in der gesamten Eurozone und den 3 Prozent in den USA.

Die Inflationsrate hatte in Spanien zuvor im Juli 2022 mit 10,7 Prozent ihren Höchststand erreicht, während sie in den USA im Juni 2022 mit 9,1 Prozent ihren Zenit markierte und in der Eurozone im Oktober mit 10,6 Prozent.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten niedriger Inflation sind die Wähler in vielen westlichen Ländern verärgert über die steigenden Lebenshaltungskosten. Während der Covid-19-Pandemie setzten viele Länder massive fiskal- und geldpolitische Anreize, um einen langen Wirtschaftsabschwung zu verhindern. Diese Politik und die Folgen des russischen Krieges in der Ukraine führten zu einem Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise.


Teuere Lebenshaltung verdrängt staatliche Hilfen 

Jetzt müssen die politischen Entscheidungsträger in Spanien und anderswo feststellen, dass ihnen die Verbesserung der Wachstums- und Beschäftigungsdaten kaum Anerkennung bringt, da viele Wähler über die Lebenshaltungskosten verärgert sind.

"Preise waren das Hauptgesprächsthema zwischen meinen Freunden und mir", berichtet Carmen Paya, eine Krankenschwester in Valencia. "Die Dinge sind besser geworden, aber bei meinen Freunden, die vor einem Jahr wirklich Probleme hatten, gibt es immer noch Frustration." Es wird einige Zeit dauern, bis die verlangsamte Inflation beginnt, den durch den Preisanstieg in den Jahren 2021 und 2022 entstandenen Schaden an den Reallöhnen auszugleichen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres verdienten spanische Arbeitnehmer real immer noch weniger als zu Jahresbeginn 2022.


Tourismus kommt nur schleppend wieder auf die Beine 

Spaniens Wirtschaft hat einige schwierige Jahre hinter sich. Sie ist in letzter Zeit schneller gewachsen als die in anderen großen europäischen Ländern, bleibt jedoch kleiner als Ende 2019. Eine starke Erholung von der Immobilien- und Bankenkrise vor einem Jahrzehnt wurde durch die Covid-19-Pandemie zunichte gemacht.

Der internationale Tourismus, der einen wichtigen Teil der Aktivität ausmacht, hat erst in den vergangenen Monaten wieder das Niveau von 2019 erreicht. Und da Zinserhöhungen beginnen, an den Urlaubsbudgets der Haushalte in ganz Europa zu nagen, gehen Ökonomen davon aus, dass sich das Wachstum in den kommenden Jahren wahrscheinlich verlangsamt. Jeder Triumphgesang im Kampf gegen die Inflation könnte verfrüht sein, da die Geschwindigkeit des Rückgangs teilweise statistischen Besonderheiten geschuldet ist.

Während die Energiepreise für Privathaushalte in ganz Europa in die Höhe schossen, als Russland seine Invasion in der Ukraine im Februar 2022 vorbereitete und dann umsetzte, war der Anstieg in Spanien unmittelbarer und größer als in vielen anderen Ländern. Im März 2022 waren sie 60,3 Prozent höher als ein Jahr zuvor.


Gekoppelte Energiepreise als extreme Kostentreiber 

Dies liegt daran, dass ein großer Teil der Haushalte - rund 40 Prozent - Stromtarife zahlt, die in direktem Zusammenhang mit den täglichen Schwankungen der Großhandelspreise stehen. Und das ist auch der Tarif, den das nationale Statistikamt zur Berechnung der Inflation verwendet.

Im Juni 2022 hat die Regierung die Erdgaspreise gedeckelt. Die Großhandelspreise für Erdgas haben sich seit ihrem Höchststand im Spätsommer 2022 um 90 Prozent verbilligt. Infolgedessen sind die Energiepreise für Haushalte jetzt deutlich niedriger als im Juni 2022.

Ähnliche Basiseffekte dürften die Inflationsraten in den kommenden Monaten in den übrigen Ländern Europas nach unten drücken, so Ökonomen. Wenn man diese großen Schwankungen der Energiepreise außer Acht lässt, sieht die Inflationsrate in Spanien ziemlich ähnlich aus wie anderswo in Europa.

Die Kernteuerung - die Energie und Nahrungsmittel ausschließt - lag im Juni bei 5,9 Prozent, verglichen mit 5,4 Prozent in der gesamten Eurozone, was auf Dienstleistungen wie Freizeit und Restaurants zurückzuführen ist. Und wenn die Energiepreise stabil bleiben sowie die Gesamtinflationsrate nicht weiter sinkt, könnte der anhaltende Anstieg der Dienstleistungspreise die Kernmessgröße wieder nach oben treiben.


Gewerkschaften lassen sich zu bescheidenen Lohnsteigerungen verpflichten 

Spaniens Gewerkschaften und Arbeitgeber einigten sich im Mai auf einen Plan für Lohnerhöhungen in den kommenden Jahren. Dieser soll die Gefahr einer von den europäischen Zentralbankern als Lohn-Preis-Spirale bezeichneten Teuerung durchkreuzen. Bei dieser schrauben die Unternehmen die Preise nach oben, um ihre Gewinne aufrechtzuerhalten oder zu steigern, worauf die Arbeitnehmer mit der Forderung nach höheren Löhnen reagieren und die Konzerne dann wiederum die Verbraucher zur Kasse bitten.

Der Deal beinhaltet eine Erhöhung um 4 Prozent in diesem Jahr und jeweils 3 Prozent in den Jahren 2024 und 2025. "Je mehr wir alle in die gleiche Richtung arbeiten, desto schneller wird der Sieg kommen", betont Núria Mas, Wirtschaftsprofessorin an der IESE Business School. "Diese Vereinbarung wird eine wichtige Rolle dabei spielen, die Inflation niedrig zu halten."

(Mitarbeit: Marcus Walker)

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July 18, 2023 10:29 ET (14:29 GMT)