BERLIN/WASHINGTON (awp international) - Die deutschen Autobauer setzen trotz aller Debatten auf den Diesel. Für den Klimaschutz müsse der zuletzt stark gesunkene Diesel-Anteil an den Neuzulassungen wieder steigen, sagte Bernhard Mattes, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), am Mittwoch in Berlin. "Wir dürfen den Blick auf CO2 vor lauter Diskussionen über Stickstoffdioxid nicht verstellen", sagte Mattes. Die Zukunft des Autos sei vor allem elektrisch. Aber Verbrenner würden noch lange gebraucht.

Die Deutschen werden trotz aller Rabatte auch im nächsten Jahr nicht mehr Autos kaufen, wie die Branche erwartet. Erstmals seit fünf Jahren sinke die Zahl der Neuzulassungen, in diesem und im nächsten Jahr um etwa ein Prozent auf dann noch knapp 3,4 Millionen, teilte der VDA mit. Die deutschen Autohersteller Volkswagen , Daimler und BMW wollen unterdessen mit grossen Investitionen in den USA höhere Autozölle für US-Importe aus Europa verhindern.

Nach einem Gespräch mit US-Präsident Donald Trump und weiteren Vertretern der US-Regierung im Weissen Haus sagte VW -Chef Herbert Diess: "Wir haben einen grossen Schritt nach vorne gemacht, um die Autozölle zu vermeiden." Die Deutsche Autoindustrie verfügt derzeit über einen vergleichsweise bescheidenen Marktanteil von etwa fünf Prozent in den USA. Volkswagen hat allein ungefähr 3,7 Prozent.

In Deutschland stehen Diesel-Antriebe wegen des Ausstosses von gesundheitsschädlichem Stickstoffdioxid seit Jahren in der Kritik. Urteile zu Fahrverboten für ältere Diesel auf Strassenabschnitten in mehren deutschen Städten drückten weiter auf die Verkaufszahlen. Dabei verbreiten Diesel-Motoren weniger klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) als Benziner. Damit müsse die Branche wieder stärker werben, sagte Mattes.

Eigentlich hatte die Branche 3,5 Millionen Neuzulassungen in diesem Jahr erwartet, nun werden es wohl rund 3,4 Millionen. Mattes verwies darauf, dass das Vorjahr sehr stark gewesen sei. "Die Entwicklung des deutschen Pkw-Marktes 2018 ist erfreulich", hob er hervor. Probleme machte in diesem Jahr ein neuer Abgasprüfstandard, der seit September gilt. Die Hersteller besassen noch nicht für alle Modelle die Genehmigung und mussten ihre Produktion drosseln.

In Westeuropa waren in den ersten neun Monaten 37 Prozent aller neu zugelassenen Autos Diesel. Zwei Drittel der Diesel, die im November in Deutschland neu zugelassen wurden, fallen laut VDA in die modernste Schadstoff-Norm Euro-6d-TEMP, die nach ersten Messungen weniger Stickstoffdioxid ausstossen als frühere Modelle und die Grenzwerte einhalten.

Von der anhaltenden Diesel-Skepsis profitiert die ausländische Konkurrenz. Sie habe diesen Antrieb nicht eindeutig bevorzugt und könne viele Alternativen anbieten, sagte der Präsident des Importeurverbandes VDIK, Reinhard Zirpel, in Frankfurt. "Wir profitieren vom Benziner-Boom und der steigenden Nachfrage nach alternativen Antrieben." Nahezu vier von zehn Neuwagen in Deutschland kommen von einem ausländischen Hersteller, das ist das zweitstärkste Ergebnis seit 2009.

Der Übergang zur Elektromobilität wird einer Studie zufolge langfristig rund 114 000 Jobs in Deutschland kosten. Vor allem im Fahrzeugbau würden mit 83 000 die meisten Arbeitsplätze wegfallen, weil Elektroantriebe weniger komplex seien. Das geht aus einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung und dem Bundesinstitut für Berufsbildung hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Sie geht davon aus, dass der Marktanteil von Elektroautos bis zum Jahr 2035 auf 23 Prozent steigt. Ob und wie viele Jobs verloren gehen, wenn mehr E-Autos gekauft werden, ist jedoch umstritten.

Aktuell sind nach Branchenangaben 834 000 Menschen in der Autoindustrie beschäftigt, zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Sowohl die deutschen Autobauer wie auch die Importeure forderten am Mittwoch, die Ende Juni 2019 auslaufende Kaufprämie für Elektroautos zu verlängern.

Inzwischen spüren die Autobauer den Handelskonflikt zwischen China und den USA. Der Export deutscher Hersteller aus den USA nach China sei in den ersten zehn Monaten dieses Jahres um ein Drittel zurückgegangen, teilte der VDA mit. Der Auto-Weltmarkt stagniere. Wie im Vorjahr werde er 2018 rund 85 Millionen Fahrzeuge umfassen, im nächsten Jahr dann um etwa ein Prozent auf 85,9 Millionen zulegen.

Mattes verteidigte die Reise von Spitzen der Autobauer Volkswagen, Daimler und BMW nach Washington zu Gesprächen mit US-Präsident Donald Trump. "Sie haben über ihre Pläne für den US-Markt gesprochen, nicht über Handelsfragen", sagte der VDA-Chef. "Das ist etwas, was nicht unüblich ist."/bf/bak/ceb/hbr/DP/jha