FRANKFURT (dpa-AFX) - Es sollte einfach nicht sein: Die Liason zwischen Deutsche Bank und Commerzbank ist schon nach kurzem gegenseitigen Abtasten geplatzt. Jetzt schaut sich Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing in Europa nach möglichen Partnern um. Winkt da die große Liebe, eine Vernunftehe - oder gar nichts? Die wichtigsten Punkte für die Bank, was Experten sagen und wie es für die Aktie läuft:

DAS IST LOS BEI DER DEUTSCHEN BANK:

Nach dem geplatzten Fast-Bündnis mit der Commerzbank sucht die Deutsche Bank nach einem möglichen neuen Partner. Der Versuch des Bundesfinanzministeriums, sich als Vermittler zu etablieren, ist bei der Commerzbank jedenfalls gründlich schiefgegangen. Auch wenn es bei der blauen und wie bei der gelben Bank Sympathien für eine gemeinsame Zukunft gegeben haben soll, reichte die Begeisterung nicht aus, um die Zweifel an der Idee beiseite zu wischen.

Die Chancen eines Zusammengehens seien die Risiken nicht wert gewesen, ließ Sewing die Öffentlichkeit wissen. Denn was auf dem Reißbrett gut aussieht und sogar Einsparungen in Milliardenhöhe verspricht, muss in der Praxis nicht unbedingt funktionieren. Zunächst hätten beide Seiten die Mühen und Kosten einer Integration - sowie einen voraussichtlich milliardenschweren Kapitalbedarf - schultern müssen. Von der Streichung zigtausender Arbeitsplätze, der Schließung vieler Filialen und einem daraus möglicherweise folgenden Imageschaden in der Öffentlichkeit ganz zu schweigen.

Offiziell wollen sich die Institute jetzt auf ihre jeweils eigenen Stärken besinnen. Bei der Commerzbank meint dies vor allem das Geschäft mit Privat- und Firmenkunden. Die Bank baut den Bereich seit Jahren aus. So will sie die fixen Kosten auf immer mehr Kunden verteilen - und daraus Größenvorteile und höhere Gewinne zu ziehen. Und die Deutsche Bank? Bei ihr müssen es erst einmal die um Jahre verschleppte Integration der Postbank und das laufende Sparprogramm bringen.

Bei der Vorlage der Quartalszahlen beteuerte Sewing, das die Bank auf Kurs sei. "Unser Ergebnis im ersten Quartal zeigt die Stärke unseres Kundengeschäfts." Die Bank sei bei Krediten und Einlagen gewachsen, das verwaltete Vermögen sei gestiegen. "Wir sind auf einem sehr guten Weg, unser Kostenziel von 21,8 Milliarden Euro für das Jahr 2019 zu erreichen." Zugleich will er die Eigenkapitalrendite weiterhin auf mehr als vier Prozent steigern.

Dennoch scheint klar: Es muss sich mehr ändern bei der Deutschen Bank, die 2018 nach drei Verlustjahren in Folge zum ersten Mal wieder schwarze Zahlen geschrieben hat. Zuvor hatten Strafzahlungen für Rechtsverstöße aus früheren Jahren das Institut immer wieder in den Keller gerissen. Zudem kämpft die Bank weiterhin mit zu hohen Kosten, die in Zeiten anhaltender Niedrigzinsen und roter Zahlen im Investmentbanking eine schwere Bürde sind.

Sewing will es dennoch wissen. "Ich erwarte über die nächsten Jahre in Europa noch eine Banken-Konsolidierung", sagte er der "Bild-Zeitung". "Und dabei möchte ich nicht nur zusehen, sondern auch Akteur sein." Konkrete Pläne nannte er nicht. Allerdings deutete er an, dass er zunächst die Fondstochter DWS unter die Haube bringen könnte. Die Deutsche Bank wolle an der erwarteten Konsolidierung unter den Vermögensverwaltern teilnehmen, sagte er. Allerdings soll der Fondsanbieter wohl auch künftig zur Kernstrategie der Bank gehören.

Insidern zufolge ist bei der Brautschau für die DWS neben Europas größtem Fondsanbieter Amundi vor allem die Schweizer Großbank UBS im Rennen. Im ersten Quartal erwies sich das Fondsgeschäft für die Deutsche Bank erneut als Gewinnbringer. Die DWS trug mit 102 Millionen Euro gut die Hälfte zum Konzernüberschuss von 201 Millionen Euro bei. Der Dax-Konzern hatte seine Fondstochter 2018 an die Börse gebracht und hält immer noch 78 Prozent der Anteile.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN UND ANDERE EXPERTEN:

Die "Deutsche Commerz" schien nie der süße Traum der Banken-Experten am Finanzmarkt zu sein. Zwar hatten Analysten das Projekt durchgerechnet und auch bei ihren Prognosen für die Aktienkurse berücksichtigt, welchen Aufschlag die Commerzbank-Aktionäre bei einem Übernahmeangebot wohl zu erwarten hätten. Doch nun, da die Fusion geplatzt ist, scheint die Trauer der Experten nicht groß zu sein. Vom Vorstand der Deutschen Bank hätten manche Analysten jetzt aber mehr erwartet als ein "Weiter so".

Zunächst möge man meinen, dass die Vermeidung eines kostenintensiven, komplexen Zusammenschlusses zugunsten eines lediglich leichten Renditeanstiegs kein schlechter Ausgang sei, schrieb Analyst Jernej Omahen von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Doch jetzt stelle sich sofort die Frage nach besseren Optionen. Für das Geldhaus gehe es jedenfalls zurück an die eigenen, unbewältigten strategischen Herausforderungen, urteilt der Experte.

Enttäuscht zeigt sich auch sein Kollege Analyst Andrew Lim von der französischen Großbank Societe Generale. Wie vom Management betont gebe es nun keinen Plan B, fasst er die Nachricht vom Fusions-Aus zusammen. Eine solche Abwartehaltung halte er angesichts der dünnen Profitabilität des Bankhauses jedoch für riskant.

Auch bei der Ratingagentur Fitch zeigt man sich von der Lage wenig begeistert. Zwar sehen sich die Fitch-Experten in ihrer Haltung bestätigt, dass die möglichen Synergien bei einer Fusion mit der Commerzbank zu unsicher und die Risiken zu groß gewesen seien. Hinter ihre Bonitätsnote für die Deutsche Bank von "BBB+" setzen sie allerdings weiterhin die Warnung "Ausblick: negativ". Denn sie sehen auch bei der eigenständigen Sanierung des Geldhauses hohe Umsetzungsrisiken. Wenn es nicht gelinge, die Gewinnentwicklung zu verbessern, könnte dies ihrer Ansicht sogar das Geschäftsmodell der Bank infrage stellen.

Davon, dass die Deutsche Bank bald zu einer Partnerin oder gar Käuferin einer anderen europäischen Bank werden könnte, ist bei den Analysten gar nicht erst die Rede. Wirtschaftsprofessorin Isabel Schnabel von der Universität Bonn erwartet auch nicht, dass das Geldhaus trotz seines niedrigen Börsenwerts zum Übernahmeziel einer ausländischen Bank wird. "Ich glaube nicht, dass sich momentan eine andere Bank an die Deutsche Bank herantraut", sagte Schnabel dem "Handelsblatt". "Niemand weiß, welche Risiken da noch aus der Vergangenheit schlummern."

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Anteilseigner der Deutschen Bank sind seit vielen Jahren Kummer gewöhnt. Seit ihrem Rekordhoch kurz vor der Finanzkrise hat die Aktie des Dax-Konzerns mehr als 90 Prozent ihres Werts eingebüßt. Seit dem Antritt ihres Aufsichtsratschefs Paul Achleiter im Jahr 2012 ging es bis zuletzt um rund 70 Prozent abwärts. Seit Sewings Arbeitsbeginn als Vorstandschef vor gut einem Jahr beläuft sich der Kursverlust auf rund ein Drittel.

Ende 2018 war der Kurs mit 6,678 Euro sogar den tiefsten Stand seiner Geschichte gesackt. Im März und April eroberte er im Zuge der Fusions-Spekulationen zeitweise wieder die Marke von 8 Euro zurück. Doch als die Vorstände die Fusionsidee begraben hatten, ging es für die Aktie wieder abwärts. Zumal es auch sonst wenig Lichtblicke gab - und Sewing sogar die Hoffnung auf eine Steigerung der Erträge im laufenden Jahr begrub.

Zuletzt pendelte der Kurs um die Marke von 7,50 Euro. Insgesamt ist die Deutsche Bank an der Börse damit nicht einmal 16 Milliarden Euro wert - und gehört damit zu den Schlusslichtern unter Europas Großbanken./stw/zb/mis