Die Wirtschaft der Kantone St. Gallen und beider Appenzell ist stark industriell geprägt. Die für die Region so wichtige Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sah sich in den letzten Jahren denn auch mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. Laut den Ökonomen der Credit Suisse stehen die Zeichen nun auf Erholung: Die Exporte sind überdurchschnittlich stark gestiegen und im Vergleich zur Gesamtschweiz beurteilen die St. Galler und Appenzeller Unternehmer die Entwicklung bei Produktion, Ertragslage, Auslastungsgrad und Auftragsbestand durchwegs positiver. Bei der Standortqualität liegen die drei Kantone insgesamt im Mittelfeld. Das attraktive Steuerniveau wiegt die unterdurchschnittliche Verfügbarkeit von Hochqualifizierten und die in peripheren Regionen weniger gute verkehrstechnische Erreichbarkeit auf. Der Traum von Wohneigentum ist in den drei Kantonen mancherorts noch realisierbar. Dennoch wächst die Bevölkerung abseits der Arbeitsmärkte kaum und auch nur aufgrund der internationalen Zuwanderung.

Trotz der politischen Zusammengehörigkeit der Teilregionen St. Gallens und der zahlreichen wirtschaftlichen Verknüpfungen zu den Kantonen Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden treten bei der Analyse zahlreiche individuelle Charakterzüge der Regionen zu Tage. Während einige Teilregionen schwergewichtig auf die Stadt St. Gallen ausgerichtet sind, orientieren sich insbesondere die westlichen Gebiete des Kantons St. Gallen stark am Grosszentrum Zürich. Die östlichen Grenzregionen haben ihre intensivsten Verknüpfungen mit Liechtenstein und den Vorarlberger Zentren.

Durchschnittliche Standortqualität auch dank attraktiver Unternehmensbesteuerung - der Vorteil tiefer Steuern dürfte jedoch kleiner werden

Der Kanton St. Gallen ist mit der Grösse und Anziehungskraft seiner Hauptstadt ein wichtiges Zentrum der Ostschweiz. Gemäss Einschätzungen der Ökonomen der Credit Suisse bietet der Kanton neben attraktiven Unternehmenssteuern ein gutes Fachkräfteangebot. Arbeitskräfte mit tertiärer Ausbildung sind mit Ausnahme der Region St. Gallen/Rorschach hingegen stark untervertreten. Bei der Besteuerung von Privatpersonen und bei der Erreichbarkeit liegt der Kanton im Schweizer Mittelfeld.

Die beiden Appenzell sind selbstbewusste Standortkonkurrenten. Trotz ihrer anspruchsvollen Topographie können sie im Standortwettbewerb bestehen, nicht zuletzt dank einer attraktiven Steuerpolitik: Unternehmen in Ausserrhoden profitieren von den schweizweit zweittiefsten Steuern, Privatpersonen in Innerrhoden von einem ähnlich attraktiven Steuerniveau wie in der Zentralschweiz. Auch nach Ablehnung der Unternehmenssteuerreform III gehen die Ökonomen der Credit Suisse nach wie vor davon aus, dass der Wettbewerb um Unternehmen in Zukunft vermehrt über die ordentlichen Steuersätze erfolgen wird. Steuersenkungen sind insbesondere in Kantonen mit hohen ordentlichen Steuersätzen zu erwarten wodurch insgesamt die Unterschiede geringer werden. Ohne Steuersenkung droht St. Gallen im interkantonalen Steuerwettbewerb ins Hinterfeld zu geraten. Die beiden Appenzell bleiben attraktiv, der Standortvorteil tiefer Unternehmenssteuern nimmt aber ab.

Dominierender Industriesektor

Der sekundäre Sektor prägt den Kanton St. Gallen und die beiden Appenzell nach wie vor stark, befindet sich aber schon seit Jahren in einem Strukturwandel. Dennoch kann nicht von einer raschen Deindustrialisierung gesprochen werden: 2014 war jeder vierte Beschäftigte in einem Industriebetrieb tätig, im St. Galler Rheintal und in Werdenberg gar zwei von fünf Beschäftigten. Dominierte einst die Textilindustrie, stellt die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) heute mit rund 56% der Beschäftigten in der Industrie und 14% aller Beschäftigten den Löwenanteil aller Industriearbeitsplätze in den drei Kantonen. Die Metallindustrie, die regional bedeutendste MEM-Branche, baute zwischen 2011 und 2014 zwar Stellen ab, im Schweizer Vergleich fiel der Abbau aber weniger deutlich aus. Getrieben durch den Lebensmittelbereich verzeichnete das Toggenburg als einzige St. Galler Region in diesem Zeitraum einen Anstieg der Industriebeschäftigung. Erfreulich ist gemäss den Ökonomen der Credit Suisse auch, dass sich die Beschäftigung im Maschinenbau um rund 1.6% erhöht hat, während schweizweit ein Rückgang von 1.7% zu verzeichnen war. Hoffnung auf ein mögliches Ende der Durststrecke macht auch die eindrückliche Erholung der St. Galler und Appenzeller Exporte. Trotz der deutlich aufhellenden Stimmung bei Industrieunternehmen dürfte der Druck auf die Industrie in den kommenden Jahren jedoch anhalten, da eine markante Abschwächung des Frankenkurses nicht absehbar ist.

Wachstum bei staatsnahen Branchen, Unternehmensdienstleistungen und im Bau

Während in der Industrie in den Jahren 2011 bis 2014 insgesamt Stellen wegfielen, verzeichneten die drei untersuchten Kantone insgesamt einen Beschäftigungszuwachs. Wachstumstreiber waren vielerorts staatsnahe Branchen, die Unternehmensdienstleistungen sowie der Bau. In Werdenberg stieg die Beschäftigung kaum, da in der dort ansässigen Elektrotechnik und im Druckgewerbe stark Stellen abgebaut wurden. Im St. Galler Rheintal wuchs die Beschäftigung um 2.8%, dank positiver Entwicklung beim Bau, beim Gesundheits- und Unterrichtswesen sowie bei Unternehmensdienstleistungen. Auch in den Regionen Sarganserland, St. Gallen/Rorschach, Linthgebiet und in Wil nahm die Beschäftigung zwischen 1% und 4% zu. Die Ökonomen der Credit Suisse gehen auch in den kommenden Jahren von einem weiteren Wachstum von staatsnahen Branchen aus, insbesondere im Gesundheitswesen. Die mittelfristigen Wachstumsaussichten fallen daher in den Wirtschaftsregionen Appenzell Ausserrhoden und St. Gallen/Rorschach am günstigsten aus, da diese Branchen dort einen vergleichsweise hohen Anteil am Branchenmix stellen. Zu den Branchen mit einem Überhang von Risiken zählen neben den Industriebranchen die Landwirtschaft, der Detailhandel und das Gastgewerbe.

Der Immobilienmarkt wird anspruchsvoller

Die drei Ostschweizer Kantone sind auch wegen der attraktiven Besteuerung und der Nähe zu den Arbeitsmarktzentren St. Gallen, Zürich und Liechtenstein etablierte Wohnorte. Der Traum von Wohneigentum ist dort mancherorts noch realisierbar. Mit Ausnahme der Teilregionen Toggenburg und Werdenberg muss ein durchschnittlicher Haushalt jedoch auch hier inzwischen bereits mehr als ein Drittel des Bruttoeinkommens für einen Neubau aufwenden, was als kritischer Wert gemäss goldener Finanzierungsregel gilt. Immer weniger Haushalte können sich trotz rekordtiefer Hypothekarzinsen den Wunsch der eigenen vier Wände leisten. Dank der raschen Reaktion der Promotoren auf die veränderte Nachfragesituation konnte ein Anstieg der Leerstände im Eigentumssegment bis heute verhindert werden. Dennoch dürften die Preise für Wohneigentum gemäss den Ökonomen der Credit Suisse analog zur gesamtschweizerischen Entwicklung 2017 vielerorts leicht sinken.

Im Gegensatz zum Wohneigentumssegment beobachtet man auf dem Mietwohnungsmarkt weiterhin eine starke Bautätigkeit. Besonders deutlich erhöht sich der Mietwohnungsbestand zurzeit im St. Galler Rheintal und in der Region Werdenberg, welche aufgrund der restriktiven Niederlassungspolitik Liechtensteins in den letzten Jahren von einer regen Bevölkerungsdynamik profitiert haben. Die bereits überdurchschnittlich hohen Leerstände scheinen Investoren von weiteren Projektentwicklungen nicht abzuhalten, zumal Neubauten verhältnismässig gut vom Markt absorbiert werden können. Die Ökonomen der Credit Suisse rechnen mit einer zunehmend anspruchsvolleren Vermarktung und einem weiteren Anstieg der Leerstände bei Mietwohnungen. In der jetzigen Marktsituation führe auch kein Weg an Mietpreissenkungen vorbei.

Credit Suisse Group AG veröffentlichte diesen Inhalt am 30 Mai 2017 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
Unverändert und nicht überarbeitet weiter verbreitet am 30 Mai 2017 08:24:19 UTC.

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