FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Lufthansa hat auf dem Weg zu ihrer Rettung durch den Staat über Pfingsten wichtige Hürden genommen. Nach Vorstand und Aufsichtsrat müssen am 25. Juni aber noch die Aktionäre dem neun Milliarden Euro schweren Hilfspaket und den Auflagen der EU-Kommission zustimmen. Auch die förmliche Genehmigung durch die Brüsseler Wettbewerbshüter steht noch aus. Wenn die Lufthansa an diesem Mittwoch ihre Zahlen für das erste Quartal vorlegt, dürfte es vor allem darum gehen, wie lange das Geld in der Kasse noch ausreicht - und wie viele Jobs im Konzern der Krise zum Opfer fallen werden.

An der Börse kam die Einigung zwischen Lufthansa, Bundesregierung und EU-Kommission gut an. Die Lufthansa-Aktie legte am Dienstag - dem ersten Handelstag nach Pfingsten - zeitweise um 8,5 Prozent zu. Am Nachmittag lag sie aber nur noch mit knapp 3 Prozent im Plus bei 9,41 Euro und damit im Mittelfeld des Dax. Seit dem Jahreswechsel hat sie allerdings immer noch knapp 43 Prozent eingebüßt.

Branchenexperten bewerten das neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket und die damit verbundenen Folgen für die Zukunft der Lufthansa und den Aktienkurs unterschiedlich. So sagt Analyst Mark Manduca von der US-Bank Citigroup der Lufthansa-Aktie weiterhin einen Sinkflug auf nur noch 50 Cent voraus und rät Anlegern, ihre Anteile abzustoßen.

Commerzbank-Analyst Malte Schulz ist mit einem Kursziel von 7 Euro weniger pessimistisch. Allerdings dürfte die hohe Schuldenlast den notwendigen Umbau des Konzerns aus seiner Sicht behindern. Analyst Daniel Roeska vom Analysehaus Bernstein sieht den Aktienkurs bei 10 Euro - und damit leicht über seinem jüngsten Niveau.

"Es war eine sehr schwierige Entscheidung", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Ludwig Kley nach der Sitzung des Gremiums am Montag. "Wir empfehlen unseren Aktionären, diesen Weg mitzugehen, auch wenn er ihnen substanzielle Beiträge zur Stabilisierung ihres Unternehmens abverlangt", sagte Kley.

Am vorigen Mittwoch hatte der Aufsichtsrat die Entscheidung mit Blick auf die drohenden Auflagen der EU noch vertagt. Zwischenzeitlich wurde weiter verhandelt. Kurz vor Pfingsten wurde bekannt, dass der Vorstand einen zuvor zwischen Berlin und Brüssel ausgehandelten Kompromiss über die Auflagen akzeptiert. Dieser sieht vor, dass Lufthansa 24 Start- und Landerechte - sogenannte Slots - an ihren wichtigsten Flughäfen München und Frankfurt an Wettbewerber abgeben muss.

Je mehr Slots, desto größer die Marktmacht: Aus Sicht der EU-Kommission könnte die Staatshilfe für Lufthansa im schlimmsten Fall den Wettbewerb im Markt schwächen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager argumentiert, dass letztlich die Preise für Flugtickets steigen und Verbraucher leiden könnten.

Die Anteilseigner der Lufthansa sind für den 25. Juni zur Hauptversammlung eingeladen - wegen der Corona-Pandemie via Livestream. Auch die Notifizierung durch die Bundesregierung in Brüssel und die förmliche Genehmigung der EU-Kommission stehen noch aus.

Der Rettungsplan sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds im Zuge einer Kapitalerhöhung Aktien zeichnet, um eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Fluggesellschaft aufzubauen. Zudem sind stille Einlagen von insgesamt bis zu 5,7 Milliarden Euro sowie ein Kredit in Höhe von bis zu 3 Milliarden Euro geplant.

Vorstandschef Carsten Spohr sagte, die Stabilisierung der Lufthansa sei kein Selbstzweck. "Gemeinsam mit der Bundesregierung muss es unser Ziel sein, unsere Spitzenposition im globalen Luftverkehr zu verteidigen."

Nicht nur bei der Lufthansa, sondern in der ganzen Branche sieht die Lage derzeit düster aus. Lockdown, Reisewarnungen, Geldsorgen der Bürger: Die Corona-Krise hat kaum eine Branche so schwer getroffen wie die Luftfahrt. Die Lufthansa-Geschäfte sind mit Ausnahme der Fracht nahezu zum Erliegen gekommen. In dem Konzern mit rund 138 000 Beschäftigten stehen Zehntausende Arbeitsplätze auf der Kippe.

Spohr hatte bereits gesagt, dass der Konzern wegen der geplanten Verkleinerung der Flugzeugflotte um 100 Maschinen nach der Krise rechnerisch etwa 10 000 Vollzeitstellen zu viel habe. Dabei ging es vor allem um Piloten und Flugbegleiter.

Nach dem Beschluss des Aufsichtsrats am Montag kündigte er ein Gipfeltreffen mit den Gewerkschaften an. "Die zu erwartende, langsame Markterholung im globalen Luftverkehr macht eine Anpassung unserer Kapazitäten unausweichlich." Nun gelte es, mit den Tarif- und Sozialpartnern "darüber zu sprechen, wie die Auswirkungen dieser Entwicklung möglichst sozialverträglich abgefedert werden können."

Das "Handelsblatt" schrieb am Montag sogar von insgesamt 20 000 überschüssigen Stellen. Der Konzern wollte sich dazu nicht äußern. Allerdings soll der Vorstand bei der Vorlage der Quartalszahlen am Mittwoch Journalisten Rede und Antwort stehen.

Den schon Ende April veröffentlichten Eckdaten zufolge verzeichnete die Lufthansa im ersten Quartal einen Umsatzeinbruch von 18 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro. Der um Sonderposten bereinigte operative Verlust (bereinigtes Ebit) vervielfachte sich wegen des im März eingebrochenen Flugverkehrs im Jahresvergleich von 336 Millionen auf 1,2 Milliarden Euro. Für das zweite Quartal sagte der Vorstand bereits einen noch erheblich höheren operativen Ver­lust voraus.

Da die Einnahmen wegen der weltweiten Reiseverbote seit April größtenteils weggebrochen sind, droht dem Konzern in Kürze das Geld auszugehen. Anfang Mai bezifferte die Lufthansa ihre Liquidität noch auf gut vier Milliarden Euro, von denen rund 1,8 Milliarden Euro eigentlich den Kunden gehören, die auf die Erstattung ihrer Ticketkosten warten. Jeden Monat fließen bei dem Konzern zudem rund 800 Millionen Euro ab - etwa für Leasingverträge.

Wie andere in der Branche erwartet auch die Lufthansa-Führung, dass "der internationale Flugverkehr auch in den kommenden Jahren nicht das Vorkrisenniveau erreichen wird."/stw/juc/eas/men