Von Rochelle Toplensky

NEW YORK (Dow Jones)--Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Das gilt generell, außer wenn es - wie es nun scheint - um die nun politisch strategische Solarindustrie geht. Trotz des historischen Versagens westlicher Hersteller von Solarmodulen im Wettbewerb mit chinesischen Anbietern hofft Brüssel ebenso wie Washington, seine lokale Produktion wieder aufzubauen. Dabei geht es darum, die erwartete Zunahme der Solarenergie in Eigenregie zu stemmen und davon zu profitieren. Vielleicht klappt es dieses Mal, vielleicht ist es aber auch ein teurer Irrweg, der den Westen in eine starke Abhängigkeit von asiatischen Lieferanten bringt.

EU-Spitzenbeamte halten die Solarenergie nach eigener Auskunft jetzt für "den Dreh- und Angelpunkt" ihrer Bemühungen, bis 2027 von russischen Energieimporten unabhängig zu werden. Die Solarinitiative ist eine von mehreren Maßnahmen, die bis 2027 schätzungsweise 9 Milliarden Kubikmeter Gasimporte pro Jahr ersetzen sollen, was fast einem Zehntel der von der EU geplanten Reduzierung entspricht. So zielt die neue Solarstrategie darauf ab, die Kapazität von 2020 mehr als zu verdoppeln - 320 Gigawatt bis 2025 und 600 Gigawatt bis 2030. Das soll gelingen durch die Straffung von Genehmigungsverfahren, die Ausbildung von Arbeitnehmern, die Ausweitung von Dachsolaranlagen und die schrittweise Einführung von Anforderungen für Paneele auf allen großen öffentlichen und kommerziellen Gebäuden. Außerdem will Brüssel auf jedem neuen Wohngebäude eine Solaranlage platzieren. Ein weiteres Ziel ist der Aufbau einer lokalen Lieferkette für die Solarindustrie, die derzeit in Asien verwurzelt ist, mit einer jährlichen Kapazität von 20 Gigawatt bis 2025.


   Große Hoffnung auf Solaranlagen auf den Dächern 

Solaranlagen auf Dächern sind zwar teurer als Großanlagen, lassen sich aber schnell errichten und könnten nach Angaben der EU fast ein Viertel des Stromverbrauchs in der EU decken, mehr als derzeit mit Gas. Die Installation auf Dächern erfordert keine zusätzlichen Flächen, stößt auf weniger Einwände, da die Anwohner oft von der erzeugten Energie profitieren, und sie minimiert auch die Anforderungen an die Übertragung. Dadurch lassen sich Probleme bei der Genehmigung und Energieverluste entlang der Leitung vermeiden. Zugleich haben die hohen europäischen Strompreise die Amortisation verbessert. Das Interesse der Verbraucher in der EU steigt exponentiell, wenn die Amortisationszeit weniger als 7 bis 8 Jahre beträgt, so Daniel Tipping vom Beratungsunternehmen Wood Mackenzie. Die Kombination von Solarenergie und Stromspeichern wird immer beliebter, vor allem angesichts der hohen Strompreise und der Förderungen in Deutschland, Italien, Österreich und Großbritannien.

Derweil birgt die Umstellung von Gas auf Solarenergie die Gefahr in sich, dass eine neue Abhängigkeit von asiatischen Modulherstellern und insbesondere von China entsteht. Nach Angaben von Guidehouse Insights tragen europäische Unternehmen derzeit nur etwa 9 Prozent zur Bruttowertschöpfung in der Solarlieferkette bei. Im Gegensatz zu russischem Gas, das laufend gekauft werden muss, halten die Paneele jedoch 20 bis 30 Jahre, was Brüssel Zeit gibt, eine lokale Lieferkette aufzubauen. Man wird sie brauchen. Im Gegensatz zu den USA ist der europäische Markt für Aufdachanlagen sehr fragmentiert. Es gibt wettbewerbsfähige Unternehmen, die Gestelle bauen, um die Module nach der Sonne auszurichten, und Wechselrichter, die Strom in Wechselstrom umwandeln und die Leistung optimieren. Mit den großen chinesischen Herstellern von billigen Modulen konnten sie jedoch nicht konkurrieren.


   Batterieproduktion als leuchtendes Vorbild 

Europa hofft, seine lokale Lieferkette mit einer strategischen Allianz wieder aufzubauen, ähnlich der, die 2017 für Batterien für Elektroautos gegründet wurde. Bisher war diese Initiative erfolgreich. Sie hat die EU-Produktionskapazität von 0 Prozent im Jahr 2017 auf voraussichtlich 25 Prozent des weltweiten Angebots im Jahr 2030 erhöht, so Anna Darmani von Wood Mackenzie. Außerdem beschleunigte sie die Zusammenarbeit und die Entwicklung neuer europäischer Produktionsstandorte, auch wenn die junge Branche noch beweisen muss, dass sie in puncto Qualität und Preis mit den führenden asiatischen Anbietern mithalten kann.

Anders als bei Batterien kann Europa bei Solarzellen auf ein gewisses Erbe bauen. Ein börsennotiertes Unternehmen, das die Höhen und Tiefen überstanden hat, ist Meyer Burger, das sich bis vor kurzem auf die Solarforschung und den Verkauf von Produktionsanlagen konzentrierte. Im Jahr 2020 vollzog es einen Schwenk und eröffnete Anlagen in Deutschland und Arizona, um bis 2025 jährlich 4,6 Gigawatt mit hocheffizienten Solarzellen und -modulen zu produzieren, obwohl die Pandemie zu einigen Verzögerungen führte. Der italienische Energieversorger Enel, der sich zu einem globalen Ökostrom-Giganten entwickeln will, investiert mit Hilfe von EU-Mitteln ebenfalls in ein sizilianisches Werk, in dem drei Gigawatt leistungsstarke Hightech-Module hergestellt werden sollen. Solarmodule aus europäischer Produktion sind zwar attraktiv für den lokalen Markt, könnten aber dennoch eine harte Konkurrenz bedeuten, da chinesische und indische Hersteller in ähnliche Technologien investieren. In der europäischen Solarproduktion gibt es nur sehr wenige Unternehmen, in die sich Aktienanleger einkaufen können, aber es ist noch viel zu früh. Der Vorstoß in Hightech-Solarpaneele wird die von den Politikern gewünschten Arbeitsplätze und eine verbesserte Energiesicherheit schaffen. Doch der Markt muss sich noch weiterentwickeln, bevor klar wird, ob er auch für Anleger attraktive Renditen bringen kann.

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May 19, 2022 10:07 ET (14:07 GMT)