Auch diese Woche herrschte wieder Kauflust an den Finanzmärkten. Die Marktteilnehmer schöpften wegen der Abkühlung am US-Arbeitsmarkt Hoffnung, dass es in den USA ab Ende des 1. Quartals 2024 zu einer Zinssenkung kommen könnte. Im Vorfeld der Entscheidungen der Zentralbanken nächste Woche legten die europäischen Börsen deutlich zu, während die Wall Street sich unweit ihrer Höchststände hält.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
472.26  +1.30%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
4604.37  +0.21%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
32307.86  -3.36%
Chart NIKKEI 225
GOLD
2004.25$  -5.35%
Chart GOLD
BRENT OIL
75.84$  -4.63%
Chart BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.08$  -1.15%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

TOPS

Cerevel Therapeutics (+58%)
: Das Biopharma-Unternehmen aus den USA stimmte der Übernahme durch den Pharmariesen AbbVie für 8,7 Mrd. USD zu. Dieser will damit sein Portfolio an Therapien für neurologische Erkrankungen wie Schizophrenie und Morbus Parkinson erweitern. Eine Transaktion, die durchaus Risiken birgt, denn einige wichtige Wirkstoffkandidaten von Cerevel befinden sich noch immer nicht in der Endphase der klinischen Prüfung. Zur Erinnerung: Vor wenigen Tagen hatte AbbVie bereits ImmunoGen für rund 10 Mrd. USD übernommen. 

Smart Metering Systems (+47%): Der britische Energieinfrastrukturanbieter hat sich auf die Anbindung an Versorger, intelligente Zähler und Energiemanagement spezialisiert und nahm nun ein Übernahmeangebot des Investmentriesen KKR an. Dieser bewertete das Unternehmen mit ca. 1,4 Mrd. GBP, was einem Aufschlag von 40% auf den Schlusskurs vom Mittwoch entspricht. Der Deal sollte im Laufe des 1. Quartals 2024 abgeschlossen sein.

TUI (+27%): Dem europäischen Tourismuskonzern geht es wieder besser. Gestützt durch eine starke Nachfrage verbuchte das Unternehmen im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Rekordumsatz von 20,67 Mrd. EUR, der damit deutlich u?ber dem letzten Gesamtumsatz vor der Pandemie lag. Ausgehend von dieser Performance und den bereits zahlreichen Buchungen für 2024 setzt man sich nun auch anspruchsvolle Ziele und will das operative Ergebnis im kommenden Geschäftsjahr um über 25% steigern. Darüber hinaus erwägt der Konzern einen Rückzug von der Londoner Börse, um sich auf seine Notierung in Deutschland zu konzentrieren.

Embracer Group (+16%): Der angeschlagene schwedische Videospielentwickler setzt seine Restrukturierung um. Die Projekte des Studios New World Interactive (Entwickler von Insurgency Sandstorm) sollen gestoppt, der Geschäftsbetrieb des Bereichs eingestellt und die dort tätigen Teams entlassen werden. Damit dürfte sich die Finanzlage verbessern. Des Weiteren will man möglicherweise auch den Borderlands-Entwickler Gearbox Software abstoßen.

Ericsson (+15%) / Nokia (-8%): Der schwedische Telekommunikationsriese erhielt von AT&T den lukrativen Auftrag für die Errichtung eines auf der Open-RAN-Technologie basierenden Netzwerks, das bis Ende 2026 dann 70% des drahtlosen Datenverkehrs des Betreibers in den USA abdecken und die Schweden zum größten Zulieferer des US-Unternehmens machen dürfte. Für den Erzrivalen Nokia ein Schlag ins Kontor: Die Aktie verlor daraufhin gegenüber der Vorwoche 8% an Terrain.

Valeo (+10%): Da sich die Aussichten für den Automobilsektor aufhellen, konnte auch der französische Zulieferer wieder Boden gutmachen. Branchenanalysten und eigenen Prognosen zufolge dürften sich die Ergebnisse in den kommenden Geschäftsjahren deutlich verbessern. Die Aktie hat seit Jahresbeginn fast 14% verloren und bietet nun einen attraktiven Einstiegspunkt.

FLOPS

Palantir Technologies (-15%): Für den Datenanalysespezialisten aus den USA kommen aktuell zwei negative Faktoren zum Tragen: Zum einen hat das japanische Unternehmen Sompo Holdings einen Teil seiner langfristigen Beteiligung am Konzern veräußert und damit 584,2 Mio. USD eingenommen. Zum anderen verliert der Konzern womöglich einen wichtigen Vertrag mit der US-Armee - so der Analyst William Blair, der seine pessimistische Einschätzung der Aktie bekräftigte. Anzumerken ist jedoch, dass der Kurs im bisherigen Jahresverlauf um 169% gestiegen ist, was wohl auch dem KI-Trend zu verdanken ist.

Games Workshop (-14%): Nach einem soliden 1. Quartal schwächelte der Hersteller und Vertreiber von Miniaturfiguren und Gesellschaftsspielen im Berichtsquartal erneut. Obgleich das Unternehmen eher positive Zwischenergebnisse und einen recht vielversprechenden Ausblick vorlegte, zeigte sich der Markt doch insgesamt enttäuscht. Die Analysten verweisen insbesondere auf möglicherweise sinkende Lizenzerlöse, denn man rechnet für das Geschäftsjahr mit nur noch 12 Mio. GBP (Vorjahr: 14,3 Mio. GBP).

Orpéa (-12%): Für Orpéa geht die Talfahrt weiter. Der französische Marktführer für Pflegeeinrichtungen lancierte am Mittwoch eine Kapitalerhöhung von 1,2 Mrd. EUR. Er richtet sich damit an eine Reihe institutioneller Anleger (Caisse des Dépôts, MAIF, CNP Assurances...), und dies nur eine Woche nach einer ersten Kapitalerhöhung von 3,9 Mrd. EUR. Nach Abschluss der Transaktion dürfte das Investorenkonsortium mit über 50% am Unternehmen beteiligt sein. Die Orpéa-Aktie hat im Jahresverlauf bereits fast 100% verloren, und der Konzern kündigte zudem an, sich im Jahr 2024 von Vermögenswerten in Höhe von 500 Mio. EUR trennen zu wollen.

Nokia (-8%): Der Absturz von Nokia steht spiegelbildlich zum oben erwähnten starken Aufwärtstrend bei Ericsson, das dem finnischen Telekommunikationsanbieter einen Großauftrag in den USA weggeschnappt hat. Die Aussichten sind nun natürlich alles andere als rosig. Für das laufende Jahr rechnet der Konzern beim Umsatz und operativen Ergebnis mit einem Rückgang um 5% bzw. 21%. Seit Januar hat die Aktie um über 30% nachgegeben.
Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die Botschaft ist klar: Der Markt nimmt die angekündigten erneuten Produktionskürzungen der Ölallianz OPEC+ recht gelassen. Diese will die Ölförderung um etwas mehr als 2 Millionen Barrel pro Tag verringern. Dieses Ziel wird real kaum zu erreichen sein, da einige Ölproduzenten nicht willens oder schlichtweg nicht in der Lage sind, ihre Förderung zu drosseln. Vor diesem Hintergrund dämpfte der Rückgang der chinesischen Ölimporte die Stimmung. Über die Hälfte des Wachstums der Ölnachfrage geht auf das Konto von China, sodass selbst geringfügige Anzeichen für eine Nachfrageschwäche folgenschwer sind. Das zeigte sich am Ölpreis, der die siebte Woche in Folge sank. Die Nordseesorte Brent kostet nun 76 USD und die US-Sorte WTI notiert bei 71,30 USD.

Metalle: Industriemetalle waren auf Konsolidierungskurs und gaben diese Woche in London nach. Einzige Ausnahme war Zinn mit einem Anstieg auf 24.400 USD. Eine Tonne Kupfer kostet etwa 8.200 USD, Aluminium 2.100 USD und Zink rund 2.400 USD. Peking ließ diese Woche mit recht robusten Zahlen zu den Metallimporten im November aufhorchen. So sind die Kupferimporte im Vergleich zum Oktober um 10% gestiegen. Im Segment Edelmetalle legte Gold den Rückwärtsgang ein, hielt sich aber dennoch über der Marke von 2.000 USD je Feinunze.

Agrarprodukte: Im Gegensatz zu Öl und Metallen gewannen die Getreidepreise in Chicago diese Woche an Boden. Der Maispreis kletterte auf ca. 490 Cent je Scheffel und der Weizenpreis lag bei 640 Cent.
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Alles offen. Der US-Arbeitsmarkt ist unverändert robust, nach Einschätzung einiger Skeptiker vielleicht sogar zu robust. Im November wurden 199.000 neue Arbeitsplätze geschaffen (statt wie erwartet 185.000) und die Arbeitslosenquote sank von 3,9% auf 3,7%. Das liefert der US-Notenbank Fed gute Argumente, um die Zinsen bis auf Weiteres auf hohem Niveau zu belassen - oder zumindest länger als vom Aktienmarkt erwartet. Zehnjährige US-Staatsanleihen reagierten umgehend auf die Meldung. Nachdem sie fast das Ziel von 4,10% erreicht hatten, ging es schnell wieder nach oben. Allerdings muss erst die Marke von 4,3270 überschritten werden, bevor eine Umkehr des Abwärtstrends zu erwarten ist. Nach den kräftigen Kursgewinnen am Aktienmarkt im November wird die Entwicklung im Dezember stark davon abhängen, wie die erwarteten letzten Indikatoren vor dem Jahreswechsel ausfallen und ob sie die Hoffnungen auf eine Zinssenkung untermauern.

Die Daten aus China sind dagegen immer noch ambivalent: Während der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor etwas höher als erwartet ausfiel, lahmt der Import weiterhin. Peking bemüht sich bisher vergebens, seine Wirtschaft wieder richtig in Schwung zu bringen.

Kryptowährungen: Der Bitcoin setzt auch im Dezember seinen Höhenflug fort: Im direkten Anschluss an den Vormonat gewann die Digitalwährung diese Woche über 9,70% hinzu. Zum Redaktionsschluss pendelte sie sich bei etwa 44.000 USD ein. Ein Hoch, das zuletzt Anfang 2022 erreicht worden war. Dem Marktführer folgte die Kryptowährung mit der zweithöchsten Bewertung auf dem Fuße: Auch der Ether stieg um knapp 8% und touchierte die Marke von 2.400 USD. In der globalen Betrachtung profitieren Krypto-Assets von der positiven Stimmung an der Wall Street und den Spekulationen, die sich um die womöglich kurz bevorstehende Zulassung eines Bitcoin-Spot-ETFs ranken. Der Kryptomarkt weist mittlerweile eine Kapitalisierung von insgesamt über 1,5 Bio. USD auf.
Kurs und Volumen
Zeit für eine Atempause
Nach fünf Wochen im Aufwind ist die Zeit für eine Atempause an den Märkten gekommen. Die letzten geldpolitischen Entscheidungen der US-Notenbank Fed (Mittwoch) und der EZB (Donnerstag) für 2023 stehen bevor. An ihnen und den in der kommenden Woche erwarteten Konjunkturdaten (Inflation und Erzeugerpreise in den USA, Einkaufsmanagerindizes...) wird der Markt messen, ob er mit seiner Hoffnung auf eine Senkung der Leitzinsen ab dem 1. Quartal 2024 richtig liegt. Außerdem werden einige namhafte Nachzügler ihre Zahlenwerke präsentieren: Oracle, Adobe und Costco in den USA sowie Inditex in Europa. Wir wünschen Ihnen allen einen schönen zweiten Advent.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.