Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Steigende langfristige Inflationserwartungen führen nach Aussage von Ökonomen der Europäischen Zentralbank (EZB) nur dann zu sinkenden Realzinsen und günstigen Finanzierungsbedingungen, wenn dieser Anstieg die Erwartungen möglichst aller Wirtschaftsakteure betrifft. Im aktuellen EZB-Wirtschaftsbericht weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass sich der Anstieg der Inflationserwartungen zumindest zwischen Ende 2020 und Anfang 2021 auf die der Finanzmarktakteure konzentrierte und somit keine günstigen wirtschaftlichen Auswirkungen hatte, sondern negative.

Höhere langfristige Inflationserwartungen von Finanzmarktakteuren führen zu höheren Anleiherenditen, die wiederum straffere Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft erzeugen. Die Investitions- und Konsumneigung von Unternehmen und Haushalten dämpft das aber dann nicht, wenn diese Akteure für die Zukunft höhere Inflationsraten erwarten - im Gegenteil: Sie neigen dann dazu, ihre Ausgaben zu erhöhen, wodurch dann kurzfristig auch die Inflation zunimmt.

Steigen die Inflationserwartungen der privaten Haushalte im Einklang mit denen der Finanzmarktteilnehmer, führt das nach Berechnungen der EZB-Ökonomen über die Erwartung höherer Hauspreise und Vermögen zu höheren Wohnungsinvestitionen. Das wiederum lässt die Gesamtproduktion nach zwei Jahren um 0,2 Prozent über die Basislinie steigen und die Inflation um 0,1 Prozent.

Die EZB stellt den Inflationserwartungen der Finanzmarktteilnehmer in ihrem Bericht jedoch keine entsprechenden Daten zu den Haushalten gegenüber, denn sie werden für den Euroraum nicht erhoben. Allerdings verweist sie auf die Tatsache, dass die Erwartungen der regelmäßig von der EZB befragten Experten (Professional Forecasters) nicht annähernd so stark gestiegen seien.

Damit liegt der Schluss nahe, dass das negative Szenario dominierte und die Aufstockung der Anleihekäufe unter dem Pandemiekaufprogramm PEPP zur Sicherung günstiger Finanzierungsbedingungen gerechtfertigt war.

Die Deutsche Bundesbank erhebt im Rahmen eines Forschungsprojekts seit einiger Zeit die Inflationserwartungen deutscher Haushalte, wenn auch nur mit einem Zeithorizont von zwölf Monaten. Aus ihren Daten geht hervor, dass die Inflationserwartungen von knapp 2,7 Prozent im vierten Quartal 2020 auf gut 2,7 Prozent im ersten Quartal 2021 gestiegen sind.

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May 05, 2021 06:07 ET (10:07 GMT)