--Merkel hält Schritt für "überfällig"

--Ladenschließungen und Ausgangssperren geplant

--Bundesrat kann lediglich Einspruch einlegen

(Neu: Weitere Details, Merkel, Reaktionen)

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Das Bundeskabinett hat am Dienstag eine Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht bei hohen Corona-Infektionszahlen eine bundesweit geltende Notbremse mit geschlossenen Läden und nächtliche Ausgangssperren vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält die bundesweite Notbremse für "überfällig", denn die Lage in der Pandemie sei ernst. Sie forderte zudem eine zügige Beratung im Bundestag und im Bundesrat. Die finale Beratung im Bundestag ist für Freitag kommender Woche vorgesehen. Anschließend wird sich die Länderkammer damit befassen.

In den vom Kabinett beschlossenen Regelungen werden Arbeitgeber zudem verpflichtet, ihren Angestellten ein Testangebot zu unterbreiten, wenn diese nicht im Homeoffice arbeiten. Der Gesetzesentwurf wurde trotz Kritik aus einigen Bundesländern, Kommunen, aus der Opposition und auch aus Reihen der regierenden SPD verabschiedet.

Es ist vorgesehen, dass ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Fällen pro 100.000 Einwohner alle Geschäfte geschlossen bleiben, sofern es sich nicht um Lebensmittelhandel, Drogerien, Apotheken und Tankstellen handelt. Weiterhin soll in allen Landkreisen und Städten eine nächtliche Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr eingeführt werden. Auch darf ein privater Haushalt dann nur einen Angehörigen eines weiteren Haushaltes einschließlich dazugehöriger Kinder unter 14 Jahren treffen. Präsenzunterricht wird untersagt, sollte die Corona-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 200 liegen.


   Arbeitgeber stoßen sich an Testpflicht 

Die Arbeitgeber bezeichneten die Testpflicht als eine Misstrauenserklärung. Die Pflicht, den Angestellten einmal pro Woche einen kostenlosen Corona-Test anzubieten, führe zu mehr Bürokratie, monierte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Auch äußerte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger erhebliche Zweifel, dass die Schnellgesetzgebung diese Woche eine Verbesserung für die Virusbekämpfung liefern würde.

"Die ausschließlich am Inzidenzwert orientierten Maßnahmen ignorieren die vielfältigen und positiven Erfahrungen aus bereits angewendeten integrierten Gesamtkonzepten", so Dulger. "Es fehlt ein klarer, evidenzbasierter Ansatz, der auf tatsächlich wirksame Maßnahmen baut. Deutschland bleibt gefangen in seiner bürokratischen Regulierung."

Positiver zur Angebotspflicht von Corona-Tests äußerte sich der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). "Die Entscheidung des Kabinetts zu einem verpflichtenden Selbsttest-Angebot in den Betrieben ist für die Maschinen- und Anlagenbauer handhabbar", erklärte VDMA-Präsident Karl Haeusgen.

Die Grünen vermissen hingegen eine Testpflicht in den Unternehmen, wollen dem Gesetz aber trotzdem zustimmen. Einige Bundesländer, wie etwa Sachsen, sowie Kommunen und die Oppositionsparteien FDP und Linke kritisieren besonders die nächtlichen Ausgangssperren als unverhältnismäßig. Das SPD-geführte Bundesland Berlin will mehr regionale Spielräume.

Auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnte vor Ausgangssperren. "Übertragungen im Freien sind nicht nur sehr selten. Sie führen in der Regel auch nicht zu Clusterinfektionen. Nicht zuletzt aus psychosozialen Gründen sollten wir mit Augenmaß vorgehen und den Aufenthalt im Freien nicht ohne Not erschweren", forderte der Ärzte-Chef im Interview mit der Rheinischen Post.


   Bundesrat muss Gesetz nicht zustimmen 

Da die Oppositionsparteien keinem Fristverzicht zugestimmt haben, wird der Gesetzentwurf erst Freitag kommender Woche abschließend im Bundestag beraten, erklärten SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Mützenich zeigte sich zudem zuversichtlich, dass im Verlauf der Beratungen im Parlament auch zusammen mit weiteren Fraktionen "an der einen oder anderen Stelle auch Verbesserungen möglicherweise einfließen werden in die zweite und dritte Beratung".

Der Gesetzentwurf werde in den nächsten Tagen im Bundestag beraten, und anschließend werde der Bundesrat beteiligt, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert bei einer anderen Pressekonferenz. "Der Gesetzentwurf ist nicht zustimmungspflichtig", hob er hervor.

Die Bundesregierung sieht das Gesetz damit als sogenanntes Einspruchsgesetz, bei dem die Länder einen geringeren Einfluss haben. Die Länderkammer, in der sich einige Länder kritisch zu dem Vorhaben gezeigt haben, kann ihre ablehnende Haltung in einem Einspruch zum Ausdruck bringen. Dieser Einspruch kann dann durch den Bundestag überstimmt werden. Bei einer absoluten Mehrheit des Bundesrats für den Einspruch ist auch eine absolute Mehrheit im Bundestag nötig, um den Einspruch zurückzuweisen.

Das Kabinett hat am Dienstag zudem beschlossen, die wegen der Corona-Pandemie ergriffene Kinderkrankengeldregelung weiter auszubauen. Gesetzlich versicherte Elternteile könnten nun krankheitsunabhängig zehn zusätzliche Arbeitstage in Anspruch nehmen, Alleinerziehende 20. Damit betrage der Anspruch auf Kinderkrankengeld 30 Tage pro Elternteil und Kind, bei Alleinerziehenden sind es laut Seibert nunmehr 60 Tage.

(Mitarbeit: Andreas Kißler)

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April 13, 2021 09:00 ET (13:00 GMT)