--Abwärtstrend beschleunigt sich

--Produktion steigt aber wieder

--Ausblick verspricht keine schnelle Besserung

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Von Jürgen Hesse

FRANKFURT (Dow Jones)--Der deutsche Automarkt hat im Juni einen weiteren Rücksetzer hinnehmen müssen. Wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mitteilte, wurden im vergangenen Monat mit 224.558 Pkw 18,1 Prozent weniger Fahrzeuge neu zugelassen als im Vorjahresmonat. Im Mai waren die Zulassungen um gut 10 Prozent abgesackt. Hochgerechnet auf das erste Halbjahr schrumpften die Neuzulassungen um 11 Prozent auf rund 1,234 Millionen Neuwagen.

Während Mercedes mit 9,5 Prozent ein Plus bei den Neuzulassungen verbuchte, verzeichneten die anderen deutschen Marken im Vergleich zum Vorjahresmonat Rückgänge. Bei Porsche und BMW fielen die Rückgänge mit minus 3,5 Prozent bzw minus 9,8 Prozent am geringsten aus. Die übrigen Marken verzeichneten zweistellige Einbrüche, die von minus 10,3 Prozent bei Ford bis minus 67,0 Prozent bei Smart reichten. VW war den weiteren Angaben zufolge mit 19,4 Prozent die anteilstärkste deutsche Marke.

Reinhard Zirpel, Präsident des Verbandes der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK), erklärte: "Die Marktentwicklung im ersten Halbjahr 2022 hat die Pkw-Hersteller schwer getroffen. Ihre Hoffnung auf eine Erholung nach dem schwachen Vorjahr wurde enttäuscht. Der Markt fährt auch weiterhin nicht im normalen Modus. Denn der Absatz wird nicht von der Nachfrage bestimmt, sondern von der eingeschränkten Auto-Produktion."

Allerdings biete ein Auftragsbestand auf Rekordniveau auch Anlass für etwas vorsichtigen Optimismus. Sobald sich die Verfügbarkeit der Neufahrzeuge verbessere, könnten die Neuzulassungen wieder deutlich zulegen.


   Auch E-Autos weniger gefragt 

Vom Rückgang der Neuzulassungen waren mit den Elektrofahrzeugen auch die Hoffnungsträger betroffen. Hier war der Absatz seit Jahresbeginn um 2 Prozent rückläufig. Allerdings zeigt sich bei den E-Fahrzeug-Neuzulassungen eine Differenzierung: Der Absatz von Plug-In-Hybriden sank im ersten Halbjahr um 15 Prozent auf 138.900 Einheiten. Rein batterieelektrische Pkw legten seit Jahresbeginn dagegen um 12 Prozent auf 167.200 Einheiten zu.

Insgesamt wurden 2022 bislang gut 550.000 neue Pkw mit einem alternativen Antrieb registriert. Dazu zählen neben Elektroautos auch Hybride mit und ohne Stecker, Mild-Hybride, Gas-Pkw sowie Brennstoffzellenfahrzeuge. Insgesamt wiesen 45 Prozent aller Neuwagen in Deutschland einen alternativen Antrieb auf (1. Halbjahr 2021: 39 Prozent).

Auch der Nutzfahrzeugmarkt verzeichnete im Juni mit rund 25.700 Neuzulassungen ein deutliches Minus von rund 26 Prozent. Im ersten Halbjahr 2022 wurden knapp 150.500 Nutzfahrzeuge neu zugelassen, das entspricht einem Minus von 19 Prozent.


   Auftragseingang zeigt teils Belebung 

Der Auftragseingang aus dem Inland ist im Juni erneut gesunken und lag um 15 Prozent unter dem Vorjahresmonat. Seit Jahresbeginn gingen jedoch 4 Prozent mehr Aufträge ein als in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres. Der ausländische Auftragseingang entwickelte sich negativ: Die deutschen Hersteller verbuchten im Juni 2 Prozent weniger Aufträge als im Vorjahresmonat. Im ersten Halbjahr 2022 gingen insgesamt 14 Prozent weniger Aufträge von Kunden aus dem Ausland ein.

Die Pkw-Produktion in Deutschland ist im Juni dagegen den zweiten Monat in Folge gestiegen. Die deutschen Hersteller fertigten 302.500 Pkw (+19 Prozent). Seit Jahresbeginn wurden 1,7 Millionen Pkw in Deutschland produziert, 3 Prozent weniger als im ersten Halbjahr des Vorjahres. Das Produktionsniveau aus Vor-Corona-Zeiten ist jedoch noch deutlich entfernt: Das Produktionsvolumen im Juni 2022 lag 19 Prozent unter dem im Juni 2019 und das Produktionsvolumen im aktuellen Jahresverlauf unterschreitet den Vergleichswert des Jahres 2019 noch um 32 Prozent.

Mit 237.000 exportieren Neufahrzeugen lag der Export im Juni 22 Prozent oberhalb des Vorjahresniveaus. Im Jahresverlauf bewegt sich der Export mit einem Minus von 5 Prozent und 1,3 Millionen Einheiten allerdings noch unter dem Niveau des Vorjahres.


   Krise noch nicht beendet 

"Das Ende dieser aktuellen Krise ist nach wie vor nicht abzusehen, von einer Trendwende ist nach wie vor nichts zu spüren", sagt Peter Fuß, Partner bei der Wirtschaftsberatung EY. Die Herausforderungen würden nicht kleiner: Die Lockdowns in China würden zu neuen Lieferproblemen bei Vorprodukten und Rohstoffen führen, der Chipmangel bestehe ohnehin nach wie vor, die Inflation dämpfe zudem die Kaufbereitschaft der Kunden, die drohende Rezession bremse die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Und nun nähmen auch noch die Sorgen um die Gasversorgung im Winter zu. Für die erhoffte Erholung auf dem Neuwagenmarkt seien das denkbar ungünstige Rahmenbedingungen.

Angesichts der extrem volatilen Rahmenbedingungen sei eine Prognose für das zweite Halbjahr sehr schwierig, sagte Fuß. Er geht aber von einem Absatzrückgang gegenüber dem - sehr schwachen - Vorjahr von etwa 10 Prozent aus.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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July 05, 2022 08:36 ET (12:36 GMT)