Von Justin Lahart

NEW YORK (Dow Jones)--Die von vielen Anlegern erwartete Rezession in den USA ist im ersten Quartal nicht eingetreten. Sie könnte auch im zweiten Quartal ausbleiben. Das inflationsbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) war im ersten Quartal mit einer Jahresrate von 1,1 Prozent gewachsen. Das war weniger als die 2,6 Prozent des vierten Quartals und weniger als die 2 Prozent, die vom "Wall Street Journal" befragte Ökonomen vorhergesagt hatten.

Dennoch handelt es sich um einen soliden Bericht. Zwei andere Datenkränze in dieser Woche deuteten bereits darauf hin, dass das BIP im ersten Quartal hinter den Schätzungen der Ökonomen zurückbleiben dürfte. Dabei drehte es sich um ein neues Benchmarking der Einzelhandelsumsätze, das auf ein schwächeres Wachstum der Verbraucherausgaben hinwies. Außerdem ging es um einen Bericht über langlebige Güter, der auf eine Abschwächung der Unternehmensinvestitionen hindeutete.


Verbraucher und Unternehmen stützen 

Der BIP-Bericht zeigt jedoch, dass die Verbraucherausgaben im vergangenen Quartal mit einer Jahresrate von 3,7 Prozent wuchsen und damit besser als im vierten Quartal mit 1 Prozent. Auch die Unternehmensinvestitionen zeigten ein leichtes Plus. Die Endnachfrage von privaten inländischen Käufern, die die zugrunde liegende Nachfrage in der Wirtschaft messen, kletterten im ersten Quartal um kräftige 2,9 Prozent, nachdem sie im vierten Quartal stagnierten.

Derweil ging die größte Belastung für das BIP von einem Rückgang der Lagerbestände aus, der das Wachstum um 2,26 Prozentpunkte schmälerte. Dies könnte sich jedoch als positiv fürs BIP im laufenden Quartal erweisen. Wenn sich die Unternehmen lediglich dafür entscheiden, ihre Lagerbestände stabil zu halten, könnten sie ihre Produktion erhöhen müssen, um mit der Nachfrage Schritt zu halten.

Ein weiterer potenziell positiver Faktor für das BIP im laufenden Quartal ist der Immobilienmarkt, der zwar immer noch im Chaos versinkt, aber nicht mehr ganz so schlimm taumelt wie im Herbst. Aus dem aktuellen Bericht geht hervor, dass der Rückgang der Wohnungsbauinvestitionen das BIP-Wachstum im ersten Quartal um 0,17 Prozentpunkte geschmälert hat. Das sind deutlich weniger ist als die 1,2 Prozentpunkte im vierten Quartal oder die 1,42 Prozentpunkte im dritten.


US-Bankenzusammenbrüche machen sich bemerkbar 

Sicherlich gibt es einige große Hürden, vor denen die Wirtschaft jetzt steht. Darunter fallen die Auswirkungen der Insolvenzen der Silicon Valley Bank (SVB) sowie der Signature Bank und die kumulierten Effekte der Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed.

Außerdem könnten die schlagzeilenträchtigen Entlassungen in großen Unternehmen auf den übrigen Arbeitsmarkt übergreifen. Bislang scheint jedoch nichts von alledem in Sicht zu sein. So meldete das Arbeitsministerium zuletzt, dass die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung in der vergangenen Woche von 246.000 in der Vorwoche auf 230.000 gesunken ist - ein für die Zeit vor der Pandemie recht niedriger Wert.

Selbst wenn sich die Verbraucher etwas zurückhalten, gibt ihnen der Arbeitsmarkt immer noch das nötige Kleingeld, um weiter zu konsumieren, was die Wirtschaft vorerst über Wasser halten sollte.


BIP-Daten nicht alleiniger Maßstab für Rezession 

Außerdem ist das BIP nicht der einzige Maßstab, um festzustellen, ob die Wirtschaft in einer Rezession steckt. So ist das National Bureau of Economic Research (NBER) eine Art Schiedsrichter dafür gewesen, ob eine Rezession eingetreten ist, noch bevor die Regierung begann, Daten zum BIP und - damals - zum Bruttosozialprodukt (BSP) zu erstellen. Es betrachtet eine Reihe von Messgrößen, darunter Beschäftigung, Industrieproduktion und Verbraucherausgaben.

Ein Abschwung könnte bevorstehen. Aber noch nicht.

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April 28, 2023 04:36 ET (08:36 GMT)