Kiew/Berlin (Reuters) - Die EU- und Nato-Staaten schnüren ein milliardenschweres Paket neuer Waffenhilfen für die Ukraine.

Etwa Schweden, Kanada und den Niederlanden kündigten umfangreiche Lieferungen an. Zwischen den USA und Deutschland blieb auch am Donnerstag zunächst umstritten, ob Berlin Leopard-Kampfpanzer liefert. Kanzler Olaf Scholz will im Gegenzug, dass die US-Regierung dann auch Abrams-Kampfpanzer liefert. Dazu ist wiederum Washington nicht bereit. In Berlin trat der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius sein Amt an und stimmte sich mit seinen französischen und amerikanischen Kollegen ab.

Angesichts fortgesetzter russischer Angriffe in der Ukraine ist die weitere militärische Hilfe für das Land unumstritten. Deutschland wird aber seit Tagen gedrängt, auch Leopard-Kampfpanzer zu liefern. Scholz hatte in den vergangenen Tagen mehrfach betont, dass er darauf bestehe, dass jeder neue qualitative Schritt gemeinsam mit den USA gegangen werden müsse. Erst vor zwei Wochen hatten die USA und Deutschland vereinbart, der Ukraine auch Schützenpanzer und Patriot-Luftabwehrsysteme zu liefern. Polen hat die Lieferung von 14 Leopard-Panzern angeboten, die aber offenbar erst noch modernisiert werden müssten. Die britische Regierung hat 14 Challenger-Kampfpanzer zugesagt.

Dies erhöht den Druck auf die Bundesregierung, ebenfalls zuzustimmen. Damit geht es zum einen darum, dass Berlin die Zustimmung für Drittstaaten geben muss, in Deutschland produzierte Waffen an die Ukraine zu liefern. In der Regierung wird betont, dass noch kein einziger Antrag dafür gestellt wurde. In Koalitionskreisen hieß es, es sei schwer vorstellbar, dass Anträge abgelehnt würden. Zum anderen könnte die Bundesregierung eigene Leopard-Panzer liefern. Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, hatte die Bundesregierung im Reuters-Interview aufgefordert, die Führung eines Konsortiums europäischer Länder bei der Leopard-Lieferung zu übernehmen.

Das Europäische Parlament hatte sich am Mittwoch für die Lieferung ausgesprochen. Die Ampel-Parteien SPD, Grünen und FDP verhinderten am Donnerstag eine Abstimmung über einen Antrag der oppositionellen CDU und CSU, in dem die Leopard-Lieferung gefordert wird. Die Ampel-Koalition ist in der Frage gespalten. Scholz hatte die Lieferung nie ausgeschlossen, beharrt aber auf gemeinsame Schritte mit Washington. "An dieser Haltung ändert auch das Ramstein-Treffen nichts", erfuhr Reuters aus Regierungskreisen. Verteidigungsminister Pistorius betonte, dass die USA der "wichtigste Partner" Deutschland seien. Frankreich sei der wichtigste Partner in Europa.

UKRAINER DRÄNGEN - HÄNGEPARTEI ZWISCHEN USA UND DEUTSCHLAND

"Wir haben keine Zeit, die Welt hat diese Zeit nicht", schrieb Andryj Jermak, Leiter der ukrainischen Präsidialverwaltung, in der Messaging-App Telegram. "Die Frage der Panzer für die Ukraine muss so schnell wie möglich geklärt werden", sagte er. "Wir bezahlen für die Langsamkeit mit dem Leben unseres ukrainischen Volkes. Das sollte nicht so sein."

Colin Kahl, der oberste politische Berater des US-Verteidigungsministeriums, hatte am Mittwoch gesagt, die USA wären nicht so weit, M1 Abrams-Panzer zu schicken. Er verwies unter anderem auf logistische Probleme, weil die Abrams mit Kerosin betrieben würden. Wahrscheinlich würden sie deshalb nicht in Washingtons nächstem massiven Zwei-Milliarden-Dollar-Militärhilfepaket enthalten sein werden, das vor allem gepanzerte Stryker- und Bradley-Fahrzeuge umfassen wird.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ging auf das Thema nach seinem Treffen mit Pistorius nicht ein, betonte aber die enge Zusammenarbeit beider Regierungen. Auch der neue Bundesverteidigungsminister erwähnte die Panzer nicht, sagte der Ukraine aber weitere Militärhilfe auch aus Beständen der Bundeswehr zu. Scholz hatte mehrfach betont, dass Deutschland nach den USA zusammen mit Großbritannien mittlerweile der größte Waffenlieferant der Ukraine sei.

Die Ukraine hatte sich bisher hauptsächlich auf T-72-Panzer aus der Sowjetära verlassen, die aber angesichts des seit elf Monaten tobenden Abwehrkampfes gegen die russischen Invasionstruppen zunehmend zerstört wurden. Die Regierung in Kiew will die westlichen Panzer vor allem, um die russischen Truppen in entscheidenden Schlachten zu vertreiben. Westliche Panzer gelten als sicherer und sollen mehr Feuerkraft als die Panzer aus sowjetischer und russischer Produktion haben.

Die Kämpfe in der Ukraine konzentrieren sich derzeit auf den Süden und Osten der Ukraine. Nach großen ukrainischen Fortschritten in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 sind die Frontlinien seit zwei Monaten weitgehend eingefroren. Keine der beiden Seiten kann trotz hoher Verluste in intensiven Grabenkämpfen große Fortschritte erzielen. Für Frühjahr erwartet Kiew eine neue russischer Offensive.

(Mitarbeit: Alexander Ratz; redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Max Hunder und Andreas Rinke