FRANKFURT (dpa-AFX) - Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner hofft auf eine lange Amtszeit von Vorstandschef John Cryan. Er gehe davon aus, dass der Brite den Konzern auch nach Abschluss der eingeleiteten Sanierung führen wolle, sagte der Chefkontrolleur des Instituts der "Wirtschaftswoche" (Freitag). "Ich bin mir sicher, dass er nach Abschluss der Restrukturierung die Früchte seiner Arbeit als Vorstandsvorsitzender ernten will." Er sei zufrieden mit Cryans bisheriger Arbeit.

Zugleich betonte Achleitner, dass sich Cryan an den gesetzten Zielen messen lassen müsse. Der Brite hatte im Juli 2015 den glücklosen Anshu Jain an der Spitze der Deutschen Bank abgelöst. Seitdem treibt er einen harten Umbau voran, bei dem tausende Stellen gestrichen und gut 200 Filialen geschlossen werden. Die Sanierung soll von 2018 an Früchte tragen.

Im vergangenen Jahr führten die Aufräumarbeiten wegen neuer Rückstellungen für die zahlreichen Rechtsrisiken und hoher Abschreibungen zu einem Rekordverlust von 6,8 Milliarden Euro. Aktuell machen zudem Einbrüche im Investmentbanking dem Konzern zu schaffen. Investoren sind hochnervös; nach einer kurzen Erholung im März nähert sich der Aktienkurs derzeit wieder dem langjährigen Tief von Anfang Februar an.

Achleitner stärkte Cryan dennoch den Rücken. "Ich bewundere, wie schnell und wie tief er sich in das äußerst komplexe Unternehmen Deutsche Bank eingearbeitet hat." Er nahm den Manager auch gegen Vorwürfe in Schutz, dass dieser die Bank in ersten Aussagen zu hart kritisiert habe. "Mit einem Schmusekurs werden Sie keine großen Veränderungen herbeiführen", erklärte Achleitner. "Wir sprechen von ziemlich einschneidenden Prozessen."

Der Chefkontrolleur verteidigte auch seine eigene Rolle gegen Kritik, zu zögerlich zu agieren. "Rein sachlich ist der Aufsichtsrat mit seiner Arbeit insgesamt im Reinen." Achleitner bestritt, zu lange an der Doppelspitze mit Anshu Jain und Jürgen Fitschen festgehalten zu haben. Jain ist bereits seit vergangenem Jahr weg, Fitschen tritt nach der Hauptversammlung im Mai als Co-Chef der Bank ab, danach wird Cryan allein das Institut leiten.

Haltlos sei auch die Behauptung, dass die britische Finanzaufsicht FCA seine Rolle bei der Untersuchung des Libor-Skandals um manipulierte Zinssätze kritisiert habe, sagte Achleitner. Die FCA habe ihn lediglich als Zeugen befragt und er habe sich nichts vorzuwerfen. Der Vorstand der Bank prüft dennoch derzeit, ob die Libor-Strafe wegen eines Fehlverhaltens Achleitners höher ausgefallen ist. Diese Überprüfung sehe er entspannt, erklärte der Aufsichtsratschef. Der Affäre hatte der Bank Strafen in Milliardenhöhe eingebrockt.

Noch offen ist, wer künftig Fitschens Rolle als Ansprechpartner für die deutsche Großindustrie übernimmt. Achleitner kündigte aber eine zügige Entscheidung an. "Selbstverständlich braucht die Deutsche Bank auch künftig deutsche Ansprechpartner für die großen deutschen Unternehmen", sagte Achleitner. Fitschen selbst solle der Bank auch nach seinem Abschied als Vorstandschef erhalten bleiben. Details nannte der Chefkontrolleur nicht.

Achleitner betonte zugleich seine grundsätzliche Bereitschaft für eine zweite Amtszeit ab 2017. "Wenn die Abstimmung jetzt stattfände, würde ich erneut kandidieren", sagte der Österreicher. Ob er aber tatsächlich antritt, ließ er offen. "Ich stelle mich der Verantwortung, aber ich klebe auch nicht an meinem Stuhl", sagte er. Dass Aktionäre ihn dazu gedrängt hätten, 2017 nicht mehr anzutreten, sei falsch./enl/she/stb