- von Kate Abnett und Sabine Siebold und Christian Krämer

Brüssel/Berlin (Reuters) - Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben in der Energiekrise weitere Maßnahmen beschlossen.

So wollen die 27 EU-Staaten verstärkt gemeinsam Gas einkaufen, um bessere Preise auszuhandeln. Beim angedachten Gaspreisdeckel blockierte Deutschland am Freitag aber einige Einigung. Die Bundesregierung fürchtet, dass sonst zu wenig Gas nach Europa verkauft werden könnte. Thema beim Gipfel waren auch die künftigen Handelsbeziehungen zu China, die schwieriger werden dürften.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte in Brüssel, gemeinsames Ziel sei es, für niedrigere Energiepreise zu sorgen. Hier sollten die EU-Energieminister nächsten Dienstag weitere Details ausarbeiten. Geplant sei, dass sich private Firmen im Gasbereich freiwillig zu Einkaufsgemeinschaften zusammenschließen könnten. Bisher habe das Wettbewerbsrecht dagegen gestanden. "Wenn das geändert wird, ist das ein Fortschritt." Außerdem solle die Befüllung der Gasspeicher besser zwischen den EU-Staaten koordiniert werden, so Scholz.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar haben sich die Energiepreise massiv erhöht - Firmen kämpfen daher ums Überleben, die Kaufkraft vieler Konsumenten ist deutlich eingeschränkt. Eine Mehrheit der EU-Länder hatte in Brüssel einen Gaspreisdeckel unterstützt. Trotz Beratungen bis in die frühen Morgenstunden am Freitag soll aber lediglich weiter eine Umsetzung geprüft werden, ebenfalls ein Thema für die Energieminister. Zudem wurde vereinbart, dass es dabei einen Konsens geben muss - also kein Land überstimmt werden darf. Damit hat Deutschland ein Veto-Recht, aber auch Ungarn. Laut Ministerpräsident Viktor Orban würde Ungarn in jedem Fall eine Ausnahme erhalten. Ein Gaspreisdeckel würde bei langfristigen Vereinbarungen wie dem Liefervertrag Ungarns mit dem russischen Versorger Gazprom über 15 Jahre nicht greifen. Dadurch sei die Versorgung Ungarns nicht gefährdet.

Die EU hatte sich bereits auf eine Abschöpfung sogenannter Übergewinne auf dem Strommarkt geeinigt. Der Gipfel unterstützte auch Vorschläge für einen alternativen Richtpreis für Flüssiggas. "Wir wollen außerdem bis zu 40 Milliarden Euro an Mitteln zur Verfügung zu stellen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Nacht. "Damit werden die EU-Mitglieder in der Lage sein, den von den Energiepreisen am stärksten betroffenen Haushalten sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen zu helfen."

MEHR GEGENWIND FÜR CHINA

Bei den Beziehungen zu China äußerte unter anderem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Kritik: "Wir haben strategische Fehler in der Vergangenheit mit dem Verkauf von Infrastruktur an China gemacht." Die Handelsbeziehungen müssten neu gedacht werden. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte ergänzte, es müsse zwar weiter einen Dialog geben, aber einen kritischeren. Die EU wirft der Volksrepublik vor, ihren Markt deutlich stärker abzuschotten, in Europa aber von offenen Märkten zu profitieren. Von der Leyen machte zunehmende Spannungen im Verhältnis mit China aus. Das Land fahre einen sehr aggressiven Kurs. "Das chinesische System ist grundlegend anders als unseres, und wir sind uns der Rivalität bewusst."

Scholz wird Anfang November nach China reisen und dabei von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Er ließ offen, ob auch Macron ihn begleiten wird, den er nächste Woche Mittwoch in Paris zum Mittagessen treffen will. In französischen Regierungskreisen wurde zuletzt über zu wenig gemeinsame Projekte und ein zu langsames Tempo der deutschen Seite geklagt. Scholz äußerte sich zurückhaltender: Niemand in der EU plädiere für eine Abkoppelung von China. In der Handelspolitik dürfe sich Deutschland aber nicht nur auf ein Land konzentrieren. So müssten die Beziehungen zu anderen asiatischen und südamerikanischen Staaten ausgebaut werden.

Der chinesische Einstieg bei einem Terminal des Hamburger Hafens ist Scholz zufolge noch nicht entschieden. "Es sind noch viele Fragen zu klären." Der entsprechende Antrag werde sorgfältig geprüft. Dabei spielten Sicherheitsinteressen auch immer eine Rolle. Medienberichten zufolge will Scholz die Investition gegen den Rat verschiedener Fachminister wie etwa Vize-Kanzler Robert Habeck ermöglichen. Der chinesische Staatskonzern will sich mit 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Container-Terminals Tollerort beteiligen.

(Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)