FRANKFURT/LONDON (awp international) - Deutsche Börse und LSE erwarten bis Mitte Juli die Rückendeckung ihrer Aktionäre für die geplante Fusion. Zum Erfolg machen will das Management die Börsenhochzeit auch durch die Streichung hunderter Stellen. Zudem rechnen die beiden Konzerne nach gemeinsamen Angaben vom Mittwoch mittelfristig mit Umsatzsteigerungen in dreistelliger Millionenhöhe. "Ich glaube fest daran, dass dieser Zusammenschluss mehr ergeben wird als die Summe seiner Teile", sagte Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter in einer Telefonkonferenz.

Am 4. Juli sollen die Anteilseigner der London Stock Exchange (LSE) in einer ausserordentlichen Hauptversammlung ihr Votum abgeben. Die Aktionäre der Deutschen Börse bekommen bis einschliesslich 12. Juli (Mitternacht) Zeit, das Angebot zum Umtausch ihrer Aktien in Papiere des geplanten Gemeinschaftsunternehmens zu prüfen. Das Ergebnis des Aktientauschs will die Deutsche Börse am 18. Juli veröffentlichen.

Für eine bisherige Aktie des Dax -Konzerns soll es ein Papier der neuen Dachgesellschaft "HoldCo" geben. LSE-Aktionäre haben je Aktie Anspruch auf 0,4421 Anteile der Holding. Damit die Fusion im dritten Anlauf glückt, müssen bei der Deutschen Börse mindestens drei Viertel der Eigentümer die Offerte annehmen. Auch bei der LSE sind 75 Prozent Zustimmung erforderlich, allerdings müssen bei deren Aktionärstreffen nur mindestens 50 Prozent des Kapitals vertreten sein.

Die Börsenbetreiber brauchen zudem noch die Zustimmung von mehr als 20 Behörden - etwa der EU-Wettbewerbshüter und der hessischen Börsenaufsicht. Kengeter, der auch das fusionierte Unternehmen führen soll, äusserte sich zuversichtlich, auf diesem Gebiet in den nächsten Monaten "gute Fortschritte" erzielen zu können.

Anfang der Woche hatte Kengeter allerdings eingeräumt, man könne wegen der vielen Hürden "vor dem ersten Quartal 2017 nicht mit einem Abschluss dieses Fusionsvorschlages rechnen". Zunächst hatten die Börsenbetreiber es für möglich gehalten, das Gemeinschaftsunternehmen eventuell schon Ende 2016 aus der Taufe heben zu können.

Der geplanten Fusion könnten nach Einschätzung der beiden Konzerne unter dem Strich 700 Arbeitsplätze zum Opfer fallen. Aktuell geht das Management davon aus, dass bis zu 1250 Stellen abgebaut werden müssen, um das mittelfristige Ziel von 450 Millionen Euro jährlichen Kosteneinsparungen zu erreichen. Zugleich sollen in anderen Bereichen 200 neue Arbeitsplätze geschaffen und etwa 350 Jobs an bestehende Standorte verlagert werden. Der Stellenabbau soll zu gleichen Teilen von beiden Partnern getragen werden. Die Deutsche-Börse-Gruppe zählte Ende 2015 knapp 5300 Mitarbeiter, bei der LSE waren es etwa 4700.

Zusätzlich zu den Kostensynergien streben die Konzerne jährliche Umsatzzuwächse von mindestens 250 Millionen Euro vor Steuern an. Dieser Betrag soll im fünften Jahr nach Vollzug des Zusammenschlusses realisiert werden, bereits im dritten Jahr seien Umsatzsynergien von 160 Millionen Euro zu erwarten. Dies wäre für die Unternehmen alleine so nicht erreichbar, sagte LSE-Chef Xavier Rolet.

Steigern wollen die Unternehmen ihre Erlöse etwa durch ein verbessertes Produktangebot und die Ausweitung ihrer Präsenz in wichtigen Märkten wie Nordamerika und Asien. Für Investitionen in Wachstumsinitiativen kalkulieren die Konzerne mit Einmalkosten von 100 Millionen Euro - voraussichtlich in den ersten beiden Jahren.

Die neue europäische Superbörse will im Wettbewerb mit der Konkurrenz aus den USA und Asien Boden gutmachen. Die Aktionäre der Deutschen Börse sollen mit 54,4 Prozent die Mehrheit halten. In Frankfurt gibt es dennoch Vorbehalte, weil London als rechtlicher Sitz der Dachgesellschaft vorgesehen ist. Die Hauptsitze in London sowie Eschborn vor den Toren Frankfurts wollen die Unternehmen beibehalten.

Die Entscheidung der Aktionäre fällt nun erst nach dem britischen Referendum über die EU-Mitgliedschaft Grossbritanniens. Ursprünglich war erwogen worden, das Votum der Anteilseigner noch vor der Abstimmung der Briten am 23. Juni einzuholen. An einem möglichen Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union (Brexit) soll die Fusion nach dem Willen der Konzerne nicht scheitern./ben/DP/jha