BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Der Medizinkonzern Fresenius steht vor turbulenten Zeiten: Nachdem das Dax-Unternehmen dem milliardenschweren Zukauf des US-Generikaherstellers Akorn am Wochenende eine Absage erteilte, könnte sich nun ein juristisches Nachspiel anbahnen. Die Amerikaner pochen auf die Einhaltung des abgeschlossenen Übernahmevertrags, doch das Bad Homburger Unternehmen bleibt bei seiner Kündigung. "Wir haben Akorns Mitteilung zur Kenntnis genommen. Das ändert nichts an den Tatsachen, unsere Entscheidung ist richtig und begründet", sagte ein Fresenius-Sprecher am Montagmorgen auf Anfrage.

An der Börse kam das Aus für die ursprünglich als zweitgrößter Zukauf in der Fresenius-Geschichte geplante Akorn-Übernahme gut an: Die Fresenius-Aktien setzten am Montagvormittag ihre Erholung fort und stiegen bis auf 68,16 Euro. Zuletzt lagen sie an der Dax-Spitze noch mit plus 1,28 Prozent im Plus bei 66,54 Euro. Einem noch größeren Sprung standen deutliche Kursverluste von knapp 4 Prozent auf 81,50 Euro bei der Tochter Fresenius Medical Care (FMC) im Weg, nachdem diese ihren Umsatzausblick gesenkt hatte.

Bei Investoren hatte der Kauf von Akorn in der Kritik gestanden, weil es bei den Amerikanern im vergangenen Jahr auch wegen des Preisdrucks auf dem US-Generikamarkt nicht wie so lief wie erhofft. Auch war der Ruf des Unternehmens in Mitleidenschaft gezogen worden, nachdem Akorn wegen Bilanzunregelmäßigkeiten Negativ-Schlagzeilen gemacht hatte. Daher wuchs die Sorge, dass Fresenius nach einigen erfolgreichen Übernahmen diesmal daneben gegriffen haben könnte.

Offenbar entzündete sich in den vergangenen Wochen zwischen beiden Seiten ein Streit, nachdem das Fresenius-Management um Konzernchef Stephan Sturm anonyme Hinweise auf neuerliches mögliches Fehlverhalten von Akorn erhalten hatte. Die Bad Homburger hatten deshalb eine eigene Ermittlung durch unabhängige externe Experten eingeleitet. Nun wirft Fresenius den Amerikanern schwerwiegende Verstöße gegen Vorschriften der US-Gesundheitsbehörde FDA hinsichtlich der Datenintegrität vor, welche die Ermittlungen zu Tage gefördert hätten. Das Angebot, mehr Zeit zu bekommen, um selbst weiter zu prüfen und Fresenius zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen, habe die Akorn-Führung abgelehnt, teilte Fresenius mit.

Der Konzern zog daraufhin die Reißleine und kündigte den Vertrag für die geplante 4,4 Milliarden Euro schwere Übernahme, weil der Generikahersteller mehrere Voraussetzungen für den Vollzug nicht erfüllt habe.

Der verschmähte US-Generikakonzern sieht sich hingegen zu Unrecht an den Pranger gestellt. Der Hersteller unter anderem von Cremes und Salben pocht auf die Einhaltung der von Fresenius gemachten Übernahmezusagen. Akorn wies die Anschuldigungen von Fresenius in einer Stellungnahme am späten Sonntagabend kategorisch zurück und erklärte, es gebe keine Basis für einen Abbruch des Geschäfts. Fresenius wird sich nun auf einen Rechtsstreit einstellen müssen. Denn das Akorn-Management erklärte, man werde seine Rechte und Fresenius' Pflichten, wie sie aus der bindenden Übernahmevereinbarung hervorgingen, "energisch" durchsetzen.

Damit dürfte die Entscheidung bei den Juristen liegen, sollte Akorn tatsächlich vor ein US-Gericht ziehen. In Bad Homburg stellt man sich offenbar bereits auf einen solchen Vorgang ein. "Unser Ziel ist es, die Sache so zügig wie möglich abzuschließen", sagte der Fresenius-Sprecher. Vorerst braucht Fresenius keinen finanziellen Nachteil zu befürchten: Im Übernahmevertrag sind weder eine Auflösungsgebühr oder Strafzinsen im Falle eines Scheiterns vereinbart.

Wie die Vorwürfe genau aussehen, blieb zunächst offen. Offenbar auf Druck der Amerikaner, die auf Einhaltung der Verschwiegenheitszusagen bestehen, kann Fresenius sich derzeit nicht konkreter äußern. Nach Ansicht von Analyst Tom Jones von der Privatbank Berenberg dürfte Fresenius aber einen guten Grund für den Rückzug gefunden haben, da ansonsten ein langer Rechtsstreit mit unsicherem Ausgang drohe. Bei den Ermittlungen war es unter anderem um Regelwidrigkeiten beim Zulassungsverfahren neuer Medikamente in den USA gegangen.

Der Fresenius-Konzern hat 14 Rekordjahre infolge hinter sich und will im laufenden Jahr Umsatz und Ergebnis weiter steigern. Am 3. Mai (Donnerstag) präsentieren die Bad Homburger ihre Zahlen für das erste Quartal. Erste Eckdaten kamen bereits von FMC, die zu Jahresanfang unter dem starken Euro litt und einen Umsatzrückgang von 10 Prozent auf knapp 4 Milliarden Euro hinnehmen musste. Gleichzeitig bekommt der Dialysespezialist Vorgaben des US-Gesundheitssystems stärker zu spüren und senkte seine um Wechselkursschwankungen bereinigte Umsatzprognose für 2018 auf plus 5 bis 7 Prozent. Der Konzern muss nun ein Medikament zur Steuerung des Kalziumspiegels, das zuvor über die Apotheken ausgegeben wurde, in seinen Dialysezentren verabreichen - allerdings in geringerer Dosierung als zuvor gedacht.

Aus dem Verkauf seiner Mehrheitsbeteiligung am Ärztenetzwerk Sound Inpatient Physicians in den USA zum Preis von 2,15 Milliarden Dollar (1,76 Milliarden Euro) erwartet FMC einen Buchgewinn von voraussichtlich rund 800 Millionen Euro vor Steuern. Der Erlös soll in andere Wachstumsinitiativen fließen. Denkbar sind nach Angaben eines Konzernsprechers vom Montag Übernahmen in Asien im Kerngeschäft Dialyse sowie der Ausbau des zweiten Standbeins Versorgungsmanagement. Auch bei der Mutter Fresenius dürften Übernahmespekulationen nun wieder neuen Schub bekommen: Nach dem Rückzug bei Akorn halten sich die Bad Homburger die Option auf Zukäufe in der Zukunft offen, um das Produktangebot bei der auf Flüssigmedizin spezialisierten Tochter Kabi zu stärken./tav/la/das