Frankfurt (Reuters) - Anleger und Aktionärsschützer haben das Management des Kochboxen-Anbieters HelloFresh auf der Hauptversammlung scharf kritisiert.

"Zwei Gewinnwarnungen in vier Monaten haben die Investoren bis heute nicht verdaut", sagte Linus Vogel, Spezialist für Nachhaltigkeit und gute Unternehmensführung bei der Fondsgesellschaft Deka, am Donnerstag. "Am Kapitalmarkt herrscht die große Sorge, dass im Verlauf des Jahres noch weitere unerfreuliche Nachrichten aufgetischt werden."

HelloFresh hatte im vergangenen November die Gewinnziele für 2023 gesenkt und sich wenige Monate später auch von seinen Mittelfrist-Prognosen verabschiedet. Seither haben die Aktien etwa 70 Prozent ihres Wertes eingebüßt. Zum Jahresauftakt gab das Unternehmen zwar einen Rekord-Quartalsumsatz bekannt. Gestiegene Kosten führten aber zu einem Gewinneinbruch.

Christian Röhl von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) bezeichnete die Abkehr von den Mittelfrist-Zielen als Hinweis auf strukturelle Defizite bei der Verfolgung des Geschäftsverlaufs und der Prognose-Erstellung. HelloFresh-Finanzchef Christian Gärtner wies dies zurück. "Unsere langfristigen Margenziele stehen. Wir wollen in beiden unseren Hauptproduktgruppen eine operative Marge von etwa zehn Prozent erreichen."

Dominik Richter, Co-Chef des Konzerns, äußerte sich zuversichtlich, verlorenes Vertrauen zurückgewinnen zu können. Dazu werde das Unternehmen seine Vorhaben kommunizieren und anschließend liefern. Zusammen mit einer verbesserten Ertragskraft werde sich dies sicher in einer Erholung des Aktienkurses niederschlagen.

ANLEGER - EXPANSION BIRGT GEFAHR DES VERZETTELNS

Im Kerngeschäft mit Kochboxen gehe die Strategie, durch höhere Marketing-Ausgaben den Kundenschwund aufzuhalten, nicht auf, kritisierte Deka-Experte Vogel weiter. Daher sollten Überkapazitäten abgebaut und das Augenmerk auf bestehende Nutzer gerichtet werden. Die Fertiggerichte-Sparte (Ready-To-Eat, RTE) wachse zwar kräftig, die Expansion sei aber teuer. "Hier kann man sich schnell verheben."

Firmenchef Richter kündigte zwar an, die Marketing-Ausgaben mittelfristig senken zu wollen. Allerdings investiere sein Unternehmen in die Modernisierung und Erweiterung sowohl des Angebots als auch der Produktionsstätten für das Kochboxen-Geschäft. Dadurch werde die operative Marge dort kurzfristig unter dem angepeilten Wert von zehn Prozent bleiben. "2024 wird hier eine wichtige Übergangsphase für uns darstellen, in der wir die Grundlagen für zukünftiges und nachhaltiges Wachstum legen wollen."

Für die Fertiggerichte-Sparte bekräftigte Richter die geplante Expansion in weitere europäische Länder. Die Erfahrungen in den Pilot-Märkten Belgien und Niederlande stimme ihn optimistisch. Außerdem sehe er auch im US-Heimatmarkt der RTE-Tochter Factor75 noch großes Wachstumspotenzial.

DEKA WILL HELLOFRESH-MANAGEMENT ENTLASTUNG VERWEIGERN

Deka-Experte Vogel kündigte an, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat von HelloFresh die Entlastung zu verweigern. "Die katastrophale Aktienkursperformance gepaart mit der Art und Weise der Kapitalmarktkommunikation lassen uns an dieser Stelle keine andere Wahl." Auch den Vorratsbeschluss für eine Kapitalerhöhung lehne Deka ab. Die Summe sei zu hoch. DSW und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) schlossen sich dieser Kritik an. Letztere verweigerte dem HelloFresh-Vorstand ebenfalls die Entlastung.

(Bericht von Hakan Ersen, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)