Von Hans-Joachim Koch

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Vergütung der Vorstandschefs der im DAX gelisteten Unternehmen ist im vergangenen Jahr gesunken. Im Durchschnitt verdienten die Vorstandschefs gut 5,1 Millionen Euro - 8,2 Prozent weniger als 2021. Am besten bezahlt wurden die Vorstandsmitglieder (nicht nur der CEO) bei der Deutschen Bank, wie eine Auswertung der Geschäfts- und Vergütungsberichte 2022 durch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Technische Universität München (TUM) ergab. Welche Aspekte interessant sind und wie sich die Ergebnisse international einordnen lassen:


1. Wie erklärt sich der Rückgang? 

Nicht bei allen Unternehmen sei es 2022 rund gelaufen ist und die Zahlen für 2021 seien andererseits besonders kräftig ausgefallen, erläutert DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Zudem sei die Höhe insbesondere der kurzfristigen Vergütungsbestandteile stark davon abhängig, welche Ziele dem Vorstand gesetzt worden seien. Nachdem oftmals die Ziele für 2021 merklich übertroffen wurden, ist davon auszugehen, dass die Aufsichtsräte die Ziele für 2022 umso ambitionierter setzten. Dies zeigt sich dann in dem Maß der Zielerreichung und entsprechend in der Höhe der kurzfristigen variablen Vergütung.


2. Schwellenwert 10 Millionen 

Ein achtstelliger Betrag hat sich als Gehaltsgrenze in zwei Richtungen herauskristallisiert. Während in Deutschland inzwischen kein CEO mehr als 10 Millionen Euro verdient, sind in den USA 10 Millionen US-Dollar die absolute Untergrenze für die Chefs von DJIA-Unternehmen


3. Sewing in Deutschland an der Spitze, gäbe es nicht Doppelverdiener Blume 

Topverdiener ist eigentlich Christian Sewing von der Deutsche Bank mit 9,2 Millionen Euro. Allerdings liegt Oliver Blume in seiner Doppelfunktion bei VW und Porsche mit gut 9,3 Millionen insgesamt gesehen vor ihm: Er erhielt von VW 8,8 Millionen. Zusätzlich waren es 530.000 Euro von Porsche, wenngleich dies einzeln betrachtet der letzte Platz im DAX-Ranking ist. Hinter den beiden folgt Belén Garijo Lopez von Merck mit 8,3 Millionen Euro. Am Ende der Liste stehen die Co-Vorstandsvorsitzenden David Schneider und Robert Gentz von Zalando mit durchschnittlich 80.000 Euro sowie neben Blume Hans Dieter Pötsch von der Porsche Automobil Holding SE mit 1,9 Millionen.


4. Stärkster Zuwachs bei Daimler Truck - starker Rückgang bei Adidas 

Eindeutig vorne liegt die Deutsche Bank beim Blick auf die Durchschnittsvergütung aller Vorstandsmitglieder - inklusive CEO - mit 6,8 Millionen Euro. Die Bank liegt damit knapp vor Merck mit 6,7 Millionen und Qiagen mit 5,8 Millionen. Schlusslichter sind Sartorius mit 1,4 Millionen, Adidas mit 1,1 Millionen und Zalando mit 0,8 Millionen Euro. Die stärksten Veränderungen verzeichneten Daimler Truck mit +246,4 Prozent, Folge u.a. der Sondersituation mit der Herauslösung aus dem Daimler-Konzern sowie am anderen Ende Adidas mit -75,2 und Covestro mit -49,5 Prozent.


5. Rückgänge in Europa - Verzerrung durch Stellantis 

Zwei Sonderbewegungen kennzeichnen die Entwicklung in anderen (untersuchten) europäischen Indizes. Zum einen verdienten die Vorstandschefs der im Swiss Market Index enthaltenen Unternehmen im Durchschnitt 11,0 Prozent mehr.

Starken Einfluss auf die Rückgänge im französischen CAC40 (16,6 Prozent) und den länderübergreifenden Blue-Chip-Indizes (jeweils ohne deutsche Konzerne) EuroStoxx 50 (10,4 Prozent) und EuroStoxx (9,9 Prozent) hatte Stellantis. Dort war im Vorjahr der Vergleichswert durch einen einmaligen Transformationsbonus für CEO Carlos Tavares von 44,6 Millionen Euro in die Höhe getrieben worden.


6. Bei US-CEOs ist die Marke von 100 Millionen im Visier 

Auf sehr hohem Niveau rückläufig war die durchschnittliche Vergütung der DJIA-CEOs. Sie sank um 8,2 Prozent auf umgerechnet knapp 25 Millionen Euro. Dabei ragt Apple-Chef Tim Cook mit 94,531 Millionen (bzw 99,402 Millionen US-Dollar) mit klarem Vorsprung vor Satya Nadella von Microsoft, mit 52,244 Millionen Euro bzw. 54,936 Millionen Dollar heraus. Relatives Schlusslicht ist mit 10,751 Millionen Euro bzw. 11,305 Millionen Dollar Patrick P. Gelsinger von Intel, der damit aber immer noch alle DAX-CEOs hinter sich lässt. Allerdings war er im Vorjahr noch mit 97,815 Millionen Euro bzw. 115,623 Millionen Dollar die klare Nummer 1. Dies zeigt die weitaus stärkere Vergütungsvolatilität in den USA, Folge der stärkeren Berücksichtigung langfristiger Komponenten.


7. DSW hadert mit der Transparenz 

Die Vergleichbarkeit hat nach Einschätzung der DSW gelitten. Denn nach einer Gesetzesänderung (zweite Aktionärsrechterichtlinie - ARUG II) berichten Unternehmen kaum noch im Einklang mit den Mustertabellen des Deutschen Corporate Governance Kodex 2017. Es gebe weiterhin keinen einheitlichen Standard für die Darstellung der Einzelvergütungskomponenten und überhaupt für den Vergütungsbericht, so die Kritik.


8. Abstand Vorstand/Mitarbeiter verringert sich erstmals 

Bemerkenswert ist, dass sich der Abstand zwischen durchschnittlicher Vergütung eines Vorstandsmitglieds zum Personalaufwand pro Mitarbeiter spürbar verringert hat, auf Faktor 38 von 53 im Jahr 2021. Während die Vorstände weniger verdienten, habe sich der Personalaufwand erhöht, so die Erläuterung von DSW und TUM.


9. Mehr Relevanz für ESG-Kriterien - nur bei Porsche nicht 

Merklich Schub hat die Berücksichtigung von ESG-Komponenten in den Vergütungssystemen erhalten. Allerdings integrieren die Unternehmen Nachhaltigkeitsziele sehr unterschiedlich in die Vergütungssysteme. Auch wenn Nachhaltigkeitsziele immer stark auf ein langfristiges Wirken ausrichtet seien, würden diese doch recht oft in der kurzfristigen Vergütung berücksichtigt, so die Autoren. Mittlerweile berücksichtigen 98 (2021: 90) Prozent der DAX-Unternehmen mindestens eine der drei ESG-Komponenten in ihren Vorstandsvergütungssystemen. Nur Porsche berücksichtigt keine Nachhaltigkeitskomponente.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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August 14, 2023 07:10 ET (11:10 GMT)