NEW YORK (awp international) - An der Wall Street ist die Stimmung nach dem kurzen Lichtblick vom Donnerstag wieder stark ins Negative gekippt. Alle wichtigen Aktienindizes lagen am Freitag deutlich im Minus. Als Gründe für die Talfahrt wurden sowohl durch die Furcht vor Marktverwerfungen durch den Aufbau spekulativer Positionen genannt als auch die Enttäuschung über den Impfstoff von Johnson & Johnson.

"Es hatte sich schon angedeutet, dass die Begeisterung an den Börsen nachlassen würde", schrieb Analyst Craig Erlam vom Handelshaus Oanda. Zum Ende des vergangenen Jahres hätten Anleger alles Positive eingepreist, nun seien die Investoren angesichts immer neuer Lockdowns rund um den Globus verunsichert. Erlam hält dies jedoch nur für ein kurzzeitiges Phänomen in einem grundsätzlich soliden Aktienumfeld.

Der Dow Jones Industrial riss am Freitag zwischenzeitlich die Marke von 30 000 Punkten und sackte zuletzt um 1,68 Prozent auf 30 088,459 Punkte ab. Damit steuert der Leitindex auf einen Wochenverluste von rund 3 Prozent zu. Mit dem S&P 500 ging es am Freitag um 1,66 Prozent auf 3724,44 Zähler nach unten. Unter den Technologie-Indizes fiel der Nasdaq 100 um 1,89 Prozent auf 12 952,32 Punkte.

Zur allgemeinen Verunsicherung trug auch der fortdauernde Kampf zwischen im Internet organisierten Privat- und Kleinspekulanten einerseits und den auf fallende Kurse setzenden professionellen Hedgefonds andererseits bei. "Die kommenden Wochen könnten ein wilder Ritt werden", so Erlam. Diese Grossinvestoren gerieten durch das Kräftemessen in grosse wirtschaftliche Schwierigkeiten und mussten deshalb zum Teil Milliarden-Verluste abschreiben, was Börsianern zufolge wegen der engen Verflechtungen der Hedgefonds mit anderen Marktakteuren zu Verwerfungen am Gesamtmarkt führen kann.

Dafür sprechen die fortdauernden Kurskapriolen der Papiere des Videospiel-Händlers Gamestop und der Kinokette AMC Entertainment . Erstere schossen wieder um 52 Prozent nach oben, nachdem sie am Vortag noch um mehr als 40 Prozent abgesackt waren. Letztere schnellten um 51 Prozent hoch, am Donnerstag waren AMC um fast 60 Prozent eingebrochen.

Die Aufregung um die extremen Kurskapriolen der Aktien von Gamestop und anderer Unternehmen am US-Finanzmarkt hat derweil endgültig die politische Ebene erreicht. Hintergrund ist der grosse Ärger von Anlegern über Restriktionen beim Handel mit Papieren von Gamestop und anderen Firmen, durch die sie sich bei einer Gewinnstrecke ausgebremst sehen. Vor allem der Online-Broker Robinhood geriet dadurch massiv in die Kritik und in den Verdacht, Kleinanleger gegenüber Wall-Street-Grossinvestoren zu benachteiligen. Nach dem Sturm der Empörung und ersten Klagen von Anlegern, die sich um Kursgewinne gebracht sehen, kündigte Robinhood zuletzt an, die Handelsbeschränkungen für die Wertpapiere wieder zu lockern. Daraufhin zogen die Kurse insbesondere von Gamestop und AMC wieder kräftig an.

Im Dow sackten derweil die Anteilscheine von Chevron um rund vier Prozent ab. Der zweitgrösste US-Ölkonzern kämpft in der Corona-Krise weiter mit Nachfrageproblemen.

Am Dow-Ende büssten die Papiere von Johnson & Johnson (J&J) mehr als vier Prozent ein. Der Pharmakonzern will zwar für seinen Corona-Impfstoff Anfang Februar in den USA einen Antrag auf eine Notfallzulassung stellen. Der entsprechenden zulassungsrelevanten Studie zufolge erreichte das Vakzin der J&J-Tochter Janssen in den Tests aber nur eine Wirksamkeit von 66 Prozent, was Anleger enttäuschte.

Mit Novavax brachte derweil ein anderer Impfstoff-Entwickler viel bessere vorläufige Ergebnisse zum Vorschein: Eine Wirksamkeit des proteinbasierten Mittels von rund 90 Prozent trieb hier die Papiere um 65 Prozent nach oben./la/he