BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Autolobby rechnet nicht mit einer raschen Lösung der Krise bei der Chiplieferung und appelliert an die Unterstützung aus Europa. Es sei "ganz kurzfristig" nicht von einer Entspannung auszugehen, "mittelfristig" aber hoffe die Branche, "dass wir hier weiterkommen", sagte die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, bei der digitalen Jahrespressekonferenz. Allerdings handle es sich nicht nur um ein Thema der Autoindustrie, "sondern der Industrie insgesamt". Langfristig sei deshalb ein europäischer Ansatz für die Chipproduktion "extrem wichtig", denn "ohne diese Halbleiter und Chips wird es so nicht funktionieren".

Als Beispiel nannte Müller die Bemühungen der EU-Kommission, eine kontinentale Batterieherstellung zu schaffen. Allerdings seien die Marktbedingungen schwierig, weil die Chip-Branche in asiatischen Ländern teils stark subventioniert werde, so die VDA-Präsidentin. Sie würdigte auch die Unterstützung der Bundesregierung in diesem Bundeswirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU), der angesichts der massiven Lieferengpässe in der Autoindustrie bereits Kontakt mit der Regierung von Taiwan Kontakt aufgenommen hat.

Europa müsse sich auch mit Blick auf die neue China-Pazifik-Handelszone RCEP und die Dominanz US-amerikanischer Plattformindustrien im internationalen Wettbewerb besser aufstellen, so Müller: "Der Maßstab für alle wirtschaftspolitischen Entscheidungen muss immer der Weltmarkt sein." Dazu forderte sie bessere Rahmenbedingungen für die Industrie sowohl in Europa als auch Deutschland: So setze die neue EU-Mobilitätsstrategie bei fast allen Verkehrsträgern sehr stark auf E-Mobilität, während ein europaweites Ladenetz fehle. Und der Vorschlag der Kommission für die neue Abgasnorm Euro 7 komme "faktisch einem Verbot des Kolbenmotors gleich", sagte die VDA-Präsidentin, um das Wort "Verbrennungsmotor" zu vermeiden.

Als großes innenpolitisches Thema des Jahres 2021 sieht der Verband die Standortbedingungen in Deutschland: In Deutschland seien Arbeitskosten und Ertragssteuerbelastungen überdurchschnittlich hoch, die Energiekosten nach Großbritannien die höchsten in ganz Europa. Auch bei Digitalisierung und Bürokratieabbau gebe es Nachholbedarf. "Die deutsche Automobilindustrie ist besser für die Zukunft gerüstet als der Standort Deutschland", sagte Müller.

Insgesamt erwartet die Branche weitere Belastungen durch die Corona-Krise gerade in der Zulieferindustrie. Für 2021 geht der VDA von einem Wachstum des deutschen Marktes gegenüber dem Vorjahr von rund 8 Prozent auf 3,15 Millionen Pkw aus, wobei das Vorjahresniveau mit 2,9 Millionen Pkw jedoch sehr niedrig gewesen sei. Der Pkw-Inlandsmarkt werde 2021 weiterhin noch deutlich unter den rund 3,5 Millionen Neuzulassungen der Jahre 2017 bis 2019 liegen. Bei den schweren Nutzfahrzeugen werde ein Wachstum von 15 Prozent auf gut 78.000 Fahrzeuge erwartet.

Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com

DJG/pso/mgo

(END) Dow Jones Newswires

January 26, 2021 08:15 ET (13:15 GMT)