Zürich (awp) - Der Schweizer Aktienmarkt findet auch am zweiten Notenbank-Tag dieser Woche keine klare Richtung. Nach dem Fed und vor der EZB pendelt der Leitindex SMI am Donnerstag in einer engen Spanne von weniger als 40 Punkten um seinen Vortagesschlusskurs. Die US-Währungshüter hatten am Vorabend wie erwartet eine Zinspause eingelegt. Gleichzeitig signalisierten sie allerdings noch zwei weitere mögliche Zinsschritte für den weiteren Jahresverlauf. Dies stellt eine restriktivere Haltung als erwartet dar.

Marktteilnehmer hatten bislang nämlich nur mit einer weiteren Erhöhung vor 2024 gerechnet. Diese Nachricht sei für viele schwer zu bewerten, kommentiert ein Händler. "Die Risikobereitschaft könnte sich dann im Laufe des Nachmittags ändern, da die Aufmerksamkeit dann auf die Zinsentscheidung der EZB und die Pressekonferenz von Präsidentin Christine Lagarde gerichtet ist." Bei der EZB gilt eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte als gesetzt. Ein weiterer Schritt im Juli dürfte ebenfalls folgen. Hierzulande hat das Seco am Morgen die BIP-Prognose bestätigt und das KOF hat sie für 2023 minimal erhöht.

Der SMI weist gegen 11.05 Uhr ein kleines Plus von 0,12 Prozent auf 11'292,04 Punkte auf. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind und die Schwergewichte stärker gekappt sind, verliert dagegen 0,08 Prozent auf 1770,378, während der breite SPI 0,10 Prozent gewinnt auf 14'906,08 Zähler. Von den 30 SLI-Werten geben 18 nach und zwölf legen zu.

Der Nachrichtenfluss wird erneut durch Vertreter der Technologiebranche dominiert. VAT-Aktien halten den Vormittag über mit -4,7 Prozent die rote Laterne. Der Vakuumventil-Hersteller hat am Morgen die Einführung von Kurzarbeit in den beiden Werken im Rheintal angekündigt. Das Unternehmen befinde sich 2023 in einem schwierigen Geschäftsjahr, heisst es in einem Kommentar der Bank Vontobel. Zudem gilt zu bedenken, dass die Aktie im bisherigen Jahresverlauf mit einem Kursplus von immer noch mehr als 50 Prozent zu den Spitzenreitern im SPI gehört.

Dennoch wirft die Nachricht auch Schatten auf die hinteren Reihen, wo Inficon (-0,6%), U-blox (-1,3%) und Comet (-2,4%) in Sippenhaft genommen werden.

Das Gegenstück zu VAT stellen die Logitech-Aktien dar (+1,5%), die am Vortag noch mit herben Verlusten (-12,5%) auf den überraschenden Rücktritt von CEO Bracken Darrell reagiert hatten.

Mit etwas Abstand folgen VAT im Verliererfeld Werte aus den unterschiedlichsten Branchen abwärts. So reagieren Investoren im Fall von Lonza (-1,9%) etwas verschnupft, nachdem die UBS die Gewinnschätzungen vor allem wegen negativ erwarteter Währungseinflüsse gesenkt hat.

Aber auch Straumann und Sonova (je -0,6%) werden als weitere Vertreter der Gesundheitsbranche eher gemieden. Die Aktien werden als Wachstumswerte gehandelt, denen die Aussicht auf womöglich noch weiter steigende Zinsen eher schadet.

Dass auch die zahlreichen Finanzwerte tiefer tendieren, könne wiederum als Reaktion auf die nicht weiter erhöhten US-Zinsen gewertet werden, heisst es im Handel. Immerhin profitieren Finanzkonzerne von steigenden Zinsen. Neben der UBS (-0,6%) geben auch Swiss Life, Swiss Re, Julius Bär und Zurich um bis zu 0,4 Prozent nach.

Dass sich der SMI trotz der mehrheitlich schwächeren Kurse im Plus hält, verdankt er vor allem den drei Schwergewichten Nestlé, Novartis und Roche, die zwischen 0,1 und 0,9 Prozent hinzugewinnen.

Im breiten Markt sticht ebenfalls ein Technologieunternehmen mit seinen Kursbewegungen positiv hervor: SoftwareOne (+20% auf 18,19 Fr.) springen auf die Übernahmeofferte der britischen Private Equity-Gesellschaft Bain Capital an, die sich mit den Gründungsaktionären zusammengetan hat. Ihr unverbindliches Angebot beträgt 18,50 Franken je Aktie. Danach soll das Unternehmen von der Börse genommen werden. Der Verwaltungsrat stellt sich jedoch gegen die Offerte.

Dagegen sind die Aktien von Bachem (-5,1%) nach einer Abstufung durch Baader Helvea unter den grössten Verlierern zu finden. Calida (-2,5%) haben ebenfalls einen schweren Stand. Der Wäsche- und Lingerie-Hersteller erwartet wegen der schwachen Entwicklung bei Erlich Textil einen tieferen Umsatz und Betriebsgewinn. Nun soll das erst im Februar 2022 übernommene deutsche Start-up verkauft werden. Auch die Mittelfristziele stellt Calida in Frage.

hr/ys