Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Der DAX ist auf ein neues Allzeithoch bei 17.004 Punkte gestiegen. Zwar verlief die geldpolitische Sitzung der US-Notenbank aus Marktsicht nicht sonderlich bullisch. Allerdings hat Fed-Präsident Jerome Powell den Börsen auch nicht wirklich Steine in den Weg gelegt. Haupttreiber ist die bislang solide verlaufende Berichtssaison, diese ist in den USA bereits recht weit fortgeschritten. Und hier überzeugt nicht nur der Technologiesektor mit guten Geschäftszahlen, auch wenn dieser im Fokus der Anleger und der öffentlichen Aufmerksamkeit steht. Ein nachhaltiges Überwinden des alten Allzeitshochs sollte wie ein Befreiungsschlag im DAX wirken. Danach könnte es für den Index rasch in den Bereich von 17.500 und darüber hinaus gehen.

Nach Einschätzung von CMC ist alles angerichtet für neue Rekordstände im DAX: "Die 'Glorreichen Sieben' haben gestern ihrem Namen alle Ehre gemacht und sind noch ein bisschen glorreicher geworden. Während Apple wegen China fast schon erwartbar enttäuschte, konnten die Facebook-Mutter Meta und der Onlinehändler Amazon Traumbilanzen mit Gewinnen weit über den Erwartungen vorlegen. Deren kombinierte Marktkapitalisierung stieg nachbörslich um 270 Milliarden Dollar, was gut 15 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung des Deutschen Aktienindex entspricht", heißt es. Die Quartalszahlen aus dem Technologiesektor hätten auch die Sorgen über eine etwas langsamere und spätere Zinswende der US-Notenbank vom Tisch gewischt.


    Fast 80 Prozent der S&P-500-Unternehmen haben bislang Schätzungen geschlagen 

Aber nicht nur der Technologiesektor überzeugt. Mittlerweile haben laut Merck Finck über 25 Prozent der im S&P-500 vertretenen Unternehmen ihre Geschäftszahlen für das Jahr 2023 vorgelegt. Davon konnten über 78 Prozent mit positiven Ertragsüberraschungen aufwarten, was auch dem langfristigen Durchschnitt entspreche. Mit 58 Prozent sehen die positiven Überraschungen beim Umsatz allerdings etwas schlechter aus, aus dem Finanzsektor haben mit 62 Prozent relativ die meisten Unternehmen bisher ihre Zahlen vorgelegt. Bis auf den Kommunikationssektor konnten alle anderen Sektoren bisher bei den Ertragserwartungen positiv überraschen.

Die Überraschungen sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gewinne im US-Markt insgesamt rückläufig sind, schränkt Merck Finck ein. Das Minus liege über alle Unternehmen hinweg bei 4,4 Prozent. Die stärksten positiven Wachstumsraten kamen aus den Sektoren Versorger (8,5%) und Technologie (6,5%), während die Branchen Grundstoffe (-29%) und Energie (-36%) in hohem Maße rückläufige Gewinne einfuhren. "Interessant ist, dass im insgesamt positiven Gesamtmarktumfeld der Aktienmarkt offensichtlich die negativen Gewinnüberraschungen nur unterdurchschnittlich bestraft und positive Gewinne überdurchschnittlich belohnt", heißt es. Dies spreche für ein insgesamt positives Marktsentiment, das zugleich ein gutes Fundament für einen weiteren Aufwärtstrend bedeute.


    Realwirtschaft ist nur Nebenschauplatz 

Dass die deutschen Wirtschaftsdaten in der kommenden Woche vermutlich schwach ausfallen werden, spielt in dem Umfeld keine Rolle. Die Dezember-Zahlen zur Industrieproduktion dürften nach Einschätzung der Commerzbank unterstreichen, dass der Trend weiter nach unten zeige, auch wenn sich die Stimmung in der Industrie laut Ifo-Umfrage und Einkaufsmanagerindex zuletzt etwas aufgehellt habe. Angesichts der niedrigen Niveaus der entsprechenden Indizes dürfte dies allerdings allenfalls einen langsameren Rückgang als eine bevorstehende Erholung signalisieren. "Deshalb gehen wir davon aus, dass die Produktion im produzierenden Gewerbe zum Jahresende 0,5 Prozent niedriger war als im November. Die ebenfalls anstehenden Auftragseingänge dürften ebenfalls kaum ein Hoffnungszeichen senden", so die Analysten.

Auch die insgesamt etwas falkenhafter als erhofft verlaufenden geldpolitischen Sitzungen von EZB und US-Notenbank stellen für die Börsen keinen echten Stolperstein dar. Fed-Präsident Jerome Powell hat zwar die Spekulation auf eine Zinssenkung bereits im März gedämpft. Die an den Finanzmärkten eingepreiste Wahrscheinlichkeit für einen solchen Schritt im März ist laut der Deutschen Bank auf 35 Prozent gefallen, den niedrigsten Wert seit zwei Monaten. Allerdings, und das ist für die Börsen entscheidend, hat sich an den Zinssenkungserwartungen für das Gesamtjahr kaum etwas geändert. Diese liegen bei 141 Basispunkten, und damit wenig verändert.


    Societe Generale sieht neue Phase niedriger Volatilität 

Bei der EZB ist der Fall ähnlich gelagert. Auch hier wurden die Zinssenkungserwartungen zuletzt etwas nach hinten verschoben. Auch wenn der genau Zeitpunkt der ersten Zinssenkungen weiter unklar ist, so steht doch außer Frage, dass diese kommen werden, und zwar noch im ersten Halbjahr. Das hat Konsequenzen für die Märkte. Zwar ist mit einer Wiederauferstehung des berühmten "Fed-Put", - also der Erwartung der Anleger, dass die US-Notenbank bei Problemen an den Börsen geldpolitisch stützend eingreifen wird - in alter Form nicht zu rechnen. Dennoch glaubt etwa die Societe Generale, dass die Märkte in eine neue Phase niedriger Volatilität eingetreten sind, und daran werde sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern.

Sollte die Societe Generale recht behalten, wäre dies günstig für die Börsen. Die Erfahrung zeigt, dass, wenn der Knoten der alten Hochs erst einmal geplatzt ist, der Weg nach oben frei ist. Für den DAX heißt das, dass sich die Blicke schnell Richtung 17.500 richten werden. Selbst das erst jüngst von der DZ Bank nach oben revidierte Kursziel im DAX von 18.200 erscheint nicht mehr überschwenglich. Dies spiegele "keinen übertriebenen Optimismus wider, sondern eher die weiter nachlassenden Belastungsfaktoren aus den vergangenen Jahren", heißt es nüchtern. Es bleibt den Anlegern zu wünschen, dass die DZ Bank-Strategen damit richtig liegen.

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February 02, 2024 08:08 ET (13:08 GMT)