Von Caitlin Ostroff

MOSKAU (Dow Jones)--Scharfe westliche Sanktionen haben das russische Finanzsystem erschüttert und einen Absturz des Rubel ausgelöst, was die Zentralbank zu einer Verdoppelung des Leitzinses veranlasste. Der Rubel brach um rund 40 Prozent gegenüber dem Dollar auf ein Allzeittief ein. Der Handel verlief jedoch nur sporadisch, da die Zentralbank die Inlandsmärkte einfror und die Märkte außerhalb Russlands zögerten, die Währung zu handeln.

Die Notenbank ergriff eine Reihe von Maßnahmen, um das russische Bankensystem zu schützen. Sie hob den Leitzins um 1.050 Basispnkte auf 20,00 Prozent an, um Ersparnisse in die Banken zu bringen, von denen die größten von den westlichen Sanktionen betroffen sind und von den internationalen Märkten praktisch abgeschnitten sind.

Die Bank verzögerte den Handelsstart an den inländischen Kredit- und Devisenmärkten, so dass es schwierig war, die weitere Entwicklung des Rubels einzuschätzen. Die Zentralbank blockierte den Start des Aktienmarktes bis mindestens zum Montagnachmittag.

Der rasche Wertverlust des Rubels wird die russische Wirtschaft schwer belasten, die bereits hohe Inflation anheizen und wahrscheinlich weitere aggressive Zinserhöhungen der Zentralbank nach sich ziehen.

Die Anleger bereiteten sich am Wochenende auf eine plötzliche Neuordnung der russischen Wirtschaft und der Finanzmärkte als Folge der Sanktionen vor. Die Europäische Union, die USA, das Vereinigte Königreich und Kanada kündigten eine Reihe koordinierter Maßnahmen an, darunter den Ausschluss einiger russischer Banken aus dem Swift-Finanznachrichtensystem, einem wichtigen Bestandteil der Bankeninfrastruktur, der Zahlungen aller Art in der Wirtschaft erleichtert.

Sie kündigten auch eine Reihe von scharfen Sanktionen gegen die russische Zentralbank an, die darauf abzielen, die Devisenreserven des Landes in Höhe von 600 Milliarden Dollar zu neutralisieren und Moskaus Fähigkeit zu beeinträchtigen, den Rubel zu stützen und die Wirtschaft vor den allgemeinen Störungen des Krieges zu schützen.

In Russland bildeten sich am Wochenende lange Schlangen vor den Geldautomaten, da die Verbraucher sich mit Bargeld eindecken wollten. Ein inländischer Ansturm auf die Ersparnisse könnte das Bankensystem gefährden, das seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Reihe von Krisen und kostspieligen staatlichen Rekapitalisierungen überstanden hat.


   Sberbank-Tochter wohl insolvent 

Am frühen Montag erklärte die Europäische Zentralbank (EZB) eine Tochtergesellschaft der Sberbank, der größten Bank Russlands und Zielscheibe der US-Sanktionen, für insolvent oder wahrscheinlich insolvent. Die EZB teilte mit, dass sich die Liquiditätslage der Sberbank Europe AG und ihrer Tochtergesellschaften in Kroatien und Slowenien verschlechtert habe, da Kunden ihre Einlagen abgezogen hätten.

Russland ist die elftgrößte Volkswirtschaft der Welt, kleiner als Südkorea, und hat im Vergleich zu den USA oder China kein großes wirtschaftliches Gewicht. Dennoch würde ein größerer Zusammenbruch der russischen Wirtschaft wahrscheinlich auf die Handelspartner und die miteinander vernetzten Finanzmärkte zurückschlagen.

Das Land ist einer der weltweit größten Lieferanten von Erdgas und Erdöl sowie von wichtigen Industriemetallen für die Automobilindustrie. Einige befürchten, dass Russland als Vergeltung für die Sanktionen die Lieferungen seiner wichtigsten Ressourcen unterbrechen könnte.

Die Intensität und der Umfang der westlichen Sanktionen gegen Russland geben Anlass zur Sorge über die Gesamtwirkung auf die Weltwirtschaft und das Potenzial für eine Eskalation durch Russland, so ein US-Sanktionsexperte. "Ich mache mir Sorgen über die Auswirkungen der Zerstörung der russischen Wirtschaft auf die globale Währungs- und Makrostabilität", sagte Julia Friedlander, Direktorin der Economic Statecraft Initiative beim Atlantic Council.

Vor allem europäische Unternehmen und Banken sind in Russland engagiert. Einige von ihnen überdenken bereits ihre dortigen Aktivitäten und versuchen, ihre Beteiligungen zu verkaufen oder abzuschreiben. BP erklärte am Sonntag, dass es seinen Anteil von fast 20 Prozent an einer russischen Ölgesellschaft verkaufen werde. Der norwegische Staatsfonds erklärte, er wolle sich von russischen Aktien im Wert von rund 3 Milliarden Dollar trennen, die nur einen Bruchteil des 1,3 Billionen Dollar schweren Fonds ausmachen.

Mitarbeit: Greg Ip

Kontakt zum Autor: andreas.plecko@wsj.com

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February 28, 2022 04:35 ET (09:35 GMT)