LEVERKUSEN (dpa-AFX) - "Ein Jahr zum Vergessen" - das dürften die Aktionäre von Bayer nach dem Kursabsturz um mehr als 40 Prozent im vergangenen Jahr denken. Teils hausgemachte Probleme im Pharmageschäft, eine träge Entwicklung bei rezeptfreien Medikamenten und die schwer kalkulierbaren Rechtsrisiken durch Glyphosat-Klagen kosteten den Konzern viel Vertrauen bei den Investoren. 2019 will Konzernchef Werner Baumann den Hebel umlegen. Die wichtigsten Punkte für das Unternehmen, was Experten sagen und wie es für die Aktie läuft:

DAS IST LOS BEI BAYER:

Bayer-Chef Baumann kämpft an vielen Fronten. In den USA laufen mittlerweile mehr als 9000 Klagen wegen angeblich verschleierter Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat. Den ersten Prozess verlor der von Bayer übernommene US-Saatgutkonzern Monsanto Mitte 2018 spektakulär. Die Leverkusener weisen die Vorwürfe weiterhin entschieden zurück und gehen gegen das Urteil vor. Der Berufungsprozess könnte sich jahrelang hinziehen. Im Februar und März beginnen die nächsten Verhandlungen. "Wir sind sehr gut vorbereitet, sehr optimistisch und stehen hinter unserem Produkt", betonte Baumann Anfang Dezember, als er sich im Zuge eines Kapitalmarkttages den Fragen von Analysten stellte. Allen Beteuerungen zum Trotz: Der Ausgang der Prozesse bleibt ungewiss. Das Risiko für Bayer geht in die Milliarden.

Glyphosat ist nicht die einzige Baustelle. Im Pharmageschäft warten Investoren auf den nächsten Kassenschlager. Schließlich droht wichtigen Umsatzbringern wie dem Gerinnungshemmer Xarelto und dem Augenmedikament Eylea in ein paar Jahren stärkere Konkurrenz durch Generika. Mit einer Neuausrichtung will der Vorstand das Pharmageschäft auf Kurs bringen und die Innovationskraft stärken. Mehr Geld soll in Gemeinschaftsprojekte mit Partnern und in externe Innovationen fließen.

Um Kosten zu sparen, streicht Bayer Stellen - das ist Teil eines großen Konzernumbaus, dem weltweit mehr als 12 000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen sollen. In diesem Zuge will Bayer auch sein Geschäft mit Tiergesundheit sowie den 60-prozentigen Anteil an dem deutschen Chemiestandort-Dienstleister Currenta abstoßen. Fehler der Vergangenheit will der Vorstand korrigieren: Im Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln stehen die erst vor wenigen Jahren teuer vom US-Konkurrenten Merck & Co übernommenen Bereiche Sonnenschutz mit der Marke Coppertone und Fußpflege mit der Marke Dr. Scholl's zur Disposition.

Mittelfristig will Bayer durch all diese Maßnahmen wieder schneller wachsen. Zudem versucht Baumann, die Aktionäre mit dem Versprechen höherer Ausschüttungen besänftigen. Dem Kurs geholfen hat das bislang nicht. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass zuletzt Diskussionen über eine Aufspaltung des Konzerns aufkamen, befeuert von Spekulationen, der Hedgefonds Elliott des aktionistischen Aktionärs Paul Singer könnte auf dieses Ziel hinarbeiten.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Analysten schätzen Bayer insgesamt recht optimistisch ein. Fast alle der 16 seit der Bekanntgabe des Konzernumbaus Ende November im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten raten zum Kauf der Papiere. Das liegt auch an den hohen Kursverlusten der vergangenen Monate. Das durchschnittliche Kursziel von knapp 87 Euro liegt rund 45 Prozent über dem aktuellen Kursniveau.

Zu den vorsichtigsten Analysten zählt Richard Vosser von der US-Bank JPMorgan. Er sieht 2019 als weiteres durchwachsenes Jahr und stufte die Papiere in einer aktuellen Studie von "Overweight" auf "Neutral" ab. Bei einem Kursziel von 70 Euro sieht er nach dem Kursrutsch 2018 zwar "ein interessantes Bewertungsniveau", will vorerst aber lieber abwarten. So dürften die Gewinnschätzungen für 2019 im Jahresverlauf wohl kaum steigen, wodurch Kurstreiber fehlten. Hinzu kämen die Glyphosat-Risiken.

Markus Mayer von der Baader Bank traut der Bayer-Aktien derweil zu, dass sie ihren Kurs mittelfristig verdoppeln. Erst Anfang Dezember bestätigte er sein Kursziel von 123 Euro. Abgesehen von der gewünschten größeren Klarheit mit Blick auf die Glyphosat-Risiken habe Bayer fast alle Hoffnungen erfüllt, was die mittelfristigen Geschäftsziele angehe. Hier hob Mayer die für die Jahre 2019 bis 2022 in Summe angepeilten freien Mittelzuflüsse (Free Cashflow) von rund 23 Milliarden Euro positiv hervor. Er betonte aber auch, dass eine rasche Umsetzung der Versprechen mit Blick auf den Aktienkurs nun vordringlich sei.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Allein im vergangenen Jahr brach der Kurs der Bayer-Papiere um mehr als 40 Prozent ein. In einem schwachen Börsenjahr fiel das Minus damit mehr als doppelt so hoch aus wie für den deutschen Leitindex Dax. Derzeit dümpelt der Kurs um die 60 Euro vor sich hin. Das ist so wenig wie zuletzt Mitte 2012. Zum Vergleich: Im Frühjahr 2015 hatten die Papiere noch ein Rekordhoch von 146,45 Euro erreicht./mis/stw/fba