PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Vor der Leitzinsentscheidung in den USA an diesem Mittwochabend haben die Anleger an den wichtigsten europäischen Börsen Vorsicht walten lassen. Die wichtigsten Indizes schlossen nahe an ihren Schlussständen vom Vortag. Der EuroStoxx 50 blieb unter seinem tags zuvor erreichten 16-Jahres-Hoch. Das Rekordhoch im Cac 40 vom Vortag wurde ebenfalls nicht überboten. Zurückhaltung bestimmte das Bild, denn die Börsen sind den Ereignissen einmal mehr vorausgelaufen.

So erwarten die Anleger zwar weder von der US-Notenbank Fed noch von der Europäischen Zentralbank oder der Bank of England in diesem Jahr weitere Änderungen an den Leitzinsen, im nächsten aber schon. Und das - zumindest von der Fed - bereits früh im Jahr. Eine Hoffnung, die sich nach den Worten von VP-Bank-Volkswirt Thomas Gitzel zerschlagen dürfte. Erst zur Jahresmitte 2024 dürfte es ihm zufolge Raum für Zinssenkungen geben. Christian Henke vom Broker IG glaubt ebenfalls nicht, dass Fed-Chef Powell oder EZB-Chefin Lagarde es den Märkten einfach machen werden. "Vielmehr könnten beide Währungshüter die derzeit hohen Erwartungen eher dämpfen und den Forderungen hinsichtlich baldiger Zinssenkungen eine klare Abfuhr erteilen."

Der Leitindex der Euroregion beendete den Tag mit einem kleinen Minus von 0,14 Prozent auf 4530,19 Punkte. Der französische Leitindex Cac 40 verlor 0,16 Prozent auf 7531,22 Zähler. An der Londoner Börse stieg der FTSE 100 indes um 0,08 Prozent auf 7548,44 Punkte. Die britische Wirtschaft schrumpfte im Oktober im Vergleich zum Vormonat erstmals leicht. Beobachter sehen zunehmend eine Gefahr, dass Großbritannien in eine Rezession schlittert. Das passt auch in das Bild eines sich allgemein in Europa abzeichnenden Konjunkturabschwungs.

Branchenseitig stand der Chemiesektor an der Spitze und stieg auf den höchsten Stand seit April 2022. Vor allem die Papiere von BASF, Arkema und Solvay stachen mit Gewinnen zwischen 4,4 und 8,2 Prozent hervor. Solvayprofitierten weiterhin davon, dass der Konglomeratsabschlag wegfällt, wie ein Börsianer sagte. Denn der belgische Chemiekonzern hat Anfang der Woche sein Spezialitätengeschäft unter dem Namen Syensqo ausgegliedert. Arkema und BASF hingegen profitierten von einer frisch ausgesprochenen Kaufempfehlung der Schweizer Bank UBS.

Schlusslicht unter den Branchen war der Telekomsektor, der jüngst kurz vor sein September-Hoch gestiegen war, seit Montag dann jedoch in die Verlustzone drehte. An diesem Mittwoch zeigten sich vor allem die Papiere von Vodafone, Orange SA, Telefonica und Telecom Italia schwach. Sie büßten zwischen 2,9 und 3,7 Prozent ein.

Unter den Einzelwerten richteten sich die Blicke auf Inditex, denn der spanische Modekonzern legte Neunmonatszahlen vor. Analyst James Grzinic vom Investmenthaus Jefferies fand lobende Worte: "Was für eine Demonstration der Stärke im Geschäftsjahr 2023/24." Die Aktie erreichte auf 39 Euro zeitweise ein Rekordhoch, schloss allerdings letztlich mit minus 0,2 Prozent./ck/ngu