BERLIN (dpa-AFX) - Russische Raketen und Marschflugkörper enthalten laut dem Sanktionsbeauftragten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj offensichtlich auch häufig Komponenten aus Deutschland und anderen westlichen Ländern. "Bei uns werden jeden Tag Menschen von Geschossen getötet", sagte Wladyslaw Wlasjuk der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Und sehr viele enthalten Bauteile aus westlichen Ländern." Aus Sicht der Ukraine ist das nur möglich, weil Sanktionen gegen Russland über Drittländer umgangen werden.

Wlasjuk hatte laut "FAS" bereits am 13. Juni mit Außenminister Dmytro Kuleba und Wirtschaftsministerin Julija Swyrydenko westlichen Botschaftern in Kiew darüber berichtet.

In dem Bericht an die Botschafter hieß es demnach, der größte Teil der geschmuggelten Geschossteile käme aus den USA mit 81 Prozent. And zweiter Stelle folge die Schweiz mit acht Prozent, Deutschland und Japan stehen auf der Liste mit je 3,5 Prozent auf Platz drei. Den Angaben zufolge hat Russland die Produktion von ballistischen Raketen und Marschflugkörpern seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 von 512 auf mutmaßlich 1061 etwa verdoppelt.

Komponenten aus Deutschland sollen im Marschflugkörper Kh-101 sowie in den Varianten 9M728 und 9M729 des Marschflugkörpers Iskander verbaut worden sein. Auch das Hyperschallgeschoss Kh-47M2 Kinschal soll deutsche Bauteile enthalten.

Insgesamt 16 deutsche Unternehmen haben nach ukrainischen Erkenntnissen Material und Dienstleistungen für diese Waffen gestellt. Der Export sei vor allem über China erfolgt, aber auch über Zentralasien, den Kaukasus oder die Türkei. Geliefert wurden offenbar Elektronik, Isoliermaterial sowie Kunststoffe. Da Geschäfte über Scheinfirmen in Transitländern liefen, wüssten möglicherweise einige Firmen gar nicht, wo ihre Produkte hingingen.

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu laut "FAS", man nehme Berichte "unserer ukrainischen Kolleginnen und Kollegen über die Verwendung sanktionierter Bauteile in russischen Geschossen sehr ernst" und prüfe diese Informationen "sehr genau". Es sei allerdings "möglich, dass diese Komponenten schon vor dem Krieg und vor dem Wirksamwerden unserer Sanktionen geliefert wurden". Sanktionswidrige Lieferungen wären indes "ein Fall für den Staatsanwalt".

Selenskyj hatte bereits nach dem tödlichen russischen Raketenangriff auf seine Heimatstadt Krywyj Rih Mitte Juni bessere Kontrollen der Sanktionen gefordert. Noch immer gelinge es Moskau, an Bauteile für Raketen zu gelangen, die teils in Partnerländern der Ukraine hergestellt worden seien./gma/DP/he