Washington (Reuters) - Nach Astrazeneca sorgen nun auch seltene Thrombosefälle nach der Corona-Impfung mit Johnson & Johnson für Wirbel.

Die US-Gesundheitsbehörden raten nach mehreren Fällen zu einer vorübergehenden Aussetzung von Impfungen mit dem Mittel von Johnson & Johnson (J&J). Der US-Pharmakonzern kündigte daraufhin am Dienstag an, die Einführung des Vakzins in Europa "proaktiv" zu verzögern. Das Unternehmen prüfe die Fälle mit den europäischen Gesundheitsbehörden. Was das für die Auslieferungen in Deutschland und Europa konkret bedeutet, konnte eine Sprecherin von J&J in Deutschland zunächst nicht sagen. Für die EU-Kommission kam die Ankündigung des US-Konzerns "komplett unerwartet", wie ein EU-Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters sagte. J&J müsse nun für Klarheit sorgen.

Die Auslieferung des Covid-19-Impfstoffs an die Europäische Union hatte erst am Montag begonnen. J&J hat sich dazu verpflichtet, bis Ende Juni 55 Millionen Dosen zu liefern, insgesamt sollen in diesem Jahr 200 Millionen Dosen an die EU gehen.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA und das Seuchenzentrum CDC verwiesen in einer gemeinsamen Erklärung auf das Auftreten einer seltenen Thromboseart in sechs Fällen. Der Impfstoff, von dem eine Dosis ausreicht, sei in den USA bislang mehr als 6,8 Millionen Mal verabreicht worden. Mit Blick auf die empfohlene Impfunterbrechung sprach ein FDA-Vertreter von einer "Sache von Tagen". Ziel sei es, Gesundheitsdienstleistern Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie solche Blutgerinnsel diagnostizieren, behandeln und melden können. J&J erklärte, das Unternehmen arbeite eng mit den Behörden zusammen. Ein klarer kausaler Zusammenhang zwischen den Fällen und der Impfung sei bislang nicht nachgewiesen worden.

AUSWIRKUNGEN AUF IMPFUNGEN IN DEUTSCHLAND NOCH OFFEN

Das Bundesgesundheitsministerium hat nach Angaben eines Sprechers noch nicht entschieden, wie es nach den US-Warnungen vorgehen will. Das Ministerium befürworte ein bundesweites Vorgehen, sagte der Sprecher mit Hinweis darauf, dass das Paul-Ehrlich-Institut als zuständige Arzneimittelbehörde ebenfalls eine Bundesbehörde sei. Vom Paul-Ehrlich-Institut war zunächst keine Stellungnahme erhältlich. Die beim Robert-Koch-Institut angesiedelte Ständige Impfkommission äußerte sich nicht dazu.

Seltene Thrombosefälle hatten in den vergangenen Wochen schon für Unruhe gesorgt, was den Impfstoff von Astrazeneca angeht. In Deutschland darf dieses Vakzin nach Fällen seltener Hirnvenenthrombosen nach der Impfung nur noch bei Menschen ab 60 Jahren uneingeschränkt eingesetzt werden. Auch andere Länder schränkten den Einsatz des Mittels deshalb ein. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA erklärte in der vergangenen Woche, dass zwar ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und sehr seltenen Thrombose-Fällen festgestellt worden sei. Der Nutzen der Impfung sei aber weiter größer als das Risiko.

Bis zum 4. April waren in der EU 169 Fälle von seltenen Gehirn-Thrombosen bei 34 Millionen verabreichten Impfdosen gemeldet worden, vor allem bei Frauen unter 60 Jahren. Alter und Geschlecht konnten nach Angaben der EMA aber dennoch nicht als eindeutige Risikofaktoren ermittelt werden.

Bei den sechs Thrombosefällen in den USA nach der Impfung mit J&J handelt es sich um Frauen im Alter zwischen 18 und 48 Jahren. Bei diesen traten Sinusvenenthrombosen und ein Mangel an Blutplättchen sechs bis 13 Tage nach der Impfung auf. Eine Frau ist gestorben, eine weitere befindet sich laut FDA in einem kritischen Zustand. Das CDC plant für Mittwoch eine Sitzung eines Beratungsgremiums, um die Fälle zu überprüfen.

Der Infektiologe Amesh Adalja vom Johns Hopkins Center in Baltimore sprach von einem sehr geringen Risiko. "Sechs Fälle bei etwa sieben Millionen Dosen - geringer als das Risiko von Blutgerinnseln mit oralen Kontrazeptiva - sind kein Grund zur Panik."

Das Vakzin von J&J ist wie das von Astrazeneca ein sogenannter Vektorimpfstoff, der auf einem harmlosen Erkältungsvirus basiert. Auf dieser Technologie beruht auch der russische Corona-Impfstoff Sputnik V. Die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna basieren dagegen auf der sogenannten Boten-RNA (mRNA). Bei den mRNA-Impfstoffen wurden nach Angaben eines Vertreters der US-Behörde CDC noch keine Thrombose-Fälle mit einem Mangel an Blutplättchen festgestellt.