Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Die europäischen Banken sind mit Ausnahme der Credit Suisse in einer soliden Verfassung. Die Ergebnisse des ersten Quartals von Barclays und der Deutschen Bank rangierten über den Erwartungen der Analysten. Die Zinserhöhungen haben das Gewinnwachstum im Brot- und Buttergeschäft mit der Annahme von Einlagen sowie der Vergabe von Krediten vorangetrieben und eine ruhige Phase bei den Gebühren im Investmentbanking mehr als wettgemacht.

Die Aktien legten als Reaktion deutlich zu. Bislang gibt es kaum Anzeichen dafür, dass die Probleme, die in den USA mit den raschen Zinserhöhungen verbunden sind, über den Atlantik springen. In Europa gibt es nicht so viele Geldmarktfonds, die mit Einlagen konkurrieren, und die streng regulierten Bankenriesen haben keine großen nicht realisierten Verluste in ihren Wertpapierportfolios. Sorgen bereitet das gewerbliche Immobilienkreditgeschäft, das bei der Deutschen Bank 7 Prozent aller Kredite ausmacht, aber mit einem durchschnittlichen Beleihungsauslauf von etwa 60 Prozent ein relativ geringes Risiko bildet.

Dennoch betrachten die Anleger die europäischen Banken immer noch mit einer Mischung aus Skepsis und Gleichgültigkeit. Nach dem Zusammenbruch der Credit Suisse und der Flucht in die schützenden Arme der UBS im vergangenen Monat testete der Markt die üblichen Verdächtigen und trieb die Kreditausfallversicherung (CDS) der Deutschen Bank auf ein Dreijahreshoch. Der Markt fand zwar wenig Anhaltspunkte für eine Krise, dennoch ist die Aktie in diesem Jahr um etwa 8 Prozent gefallen. Die Aktien der Deutschen Bank und von Barclays werden unter dem Fünffachen des erwarteten Gewinns gehandelt, ein Niveau, das seit der Bankenkrise von 2008 und dem Echo auf die Staatsschuldenkrise von 2011 kaum noch erreicht wurde.

Auch die US-Konkurrenten sind im historischen Vergleich niedrig bewertet. Die Bankenkohorte des S&P-500-Index liegt beim 8,5-fachen des Gewinns, aber das ist immer noch ein Aufschlag von 30 Prozent gegenüber der Vergleichsgruppe im Stoxx-Europe-600-Index.


  Europas Banken verdienen inzwischen nicht viel schlechter als US-Pendants 

Früher rechtfertigten niedrige Renditen in Europa niedrige Bewertungen, aber der Abstand zu den USA hat sich verringert, da die Zinssätze gestiegen sind und alte Nachzügler wie die Deutsche Bank ernsthafte Kostensenkungsmaßnahmen ergriffen haben. Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite der Branche rangierte im vergangenen Jahr bei etwa 9 Prozent, wie aus der Factset-Analyse des Stoxx-Europe-600-Banks-Index hervorgeht - nicht viel weniger als die 10 Prozent, die die Banken im S&P 500 erzielten. Kombiniert man ordentliche Eigenkapitalrenditen und niedrige Bewertungen, erhält man einige extreme Zahlen für die Aktionärs-Renditen. Die UBS schätzt, dass sich die Ausschüttungen durch Dividenden und Aktienrückkäufe in diesem Jahr auf 10 Prozent des Marktwerts des Sektors belaufen.

Stuart Graham, Partner bei Alliancebernsteins Autonomous Research, führt die Zurückhaltung der Anleger gegenüber den europäischen Banken zum Teil auf den ernüchternden Rückblick auf Jahre unterdurchschnittlicher Entwicklung zurück. Vor einem Jahrzehnt mussten die Geldhäuser nach der Finanzkrise ihr Kapital wieder aufstocken und litten dann unter den negativen Zinssätzen. Gerade als sich die Aussichten aufhellten, kam die Pandemie, gefolgt vom Krieg in der Ukraine. "Man musste bereits 2005 und 2006 investiert gewesen sein, um sich an eine Zeit zu erinnern, in der europäische Banken gute Anlageprodukte waren. Damals waren nicht sehr viele Leute da", stöhnt Graham.


  Politik macht europäischen Banken das Leben schwer 

Ein weiterer Grund ist die Politik. Einige Anleger gehen davon aus, dass die europäischen Banken, sobald sie bessere Renditen erzielen, ins Visier von Regierungen oder Aufsichtsbehörden geraten. Die spanische Santander teilte zuletzt mit, dass eine kürzlich von Madrid eingeführte Übergewinnsteuer fast den gesamten Profitzuwachs im ersten Quartal aufgefressen hat. Und die von der Regierung in Bern vermittelte Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat auch die Debatte über Banken, die "to big too fail" sind, wiederbelebt und einen politischen Sturm in der Schweiz losgetreten.

Die UBS hat die Ausschüttungen an ihre Aktionäre ausgesetzt, obwohl dies aus geschäftlichen Gründen wahrscheinlich ohnehin ratsam ist. Derweil zeugt die Deutsche Bank davon, wie es in Europa politisch laufen kann. Die Frankfurter erklärten, dass "das Management einen Dialog mit den Aufsichtsbehörden aufgenommen hat, um Aktienrückkäufe im Jahr 2023 zu ermöglichen". Die politische Sensibilität, mit der europäische Banken, die "to big too fail" sind, den Anlegern Bargeld zurückgeben, mutet peinlich an. Schließlich ist ein solcher Schritt genau der richtige Weg für die Kreditgeber, die Anleger davon zu überzeugen, dass sie es wert sind, wieder gekauft zu werden. Jetzt, wo sie finanziell besser dastehen, haben Europas Top-Banken politisch noch einiges vor sich.

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April 27, 2023 10:14 ET (14:14 GMT)