Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)-Ford-Chef Jim Farley besticht durch strategische Klarheit. Sie dürfte von unschätzbarem Wert sein, wenn die Autoindustrie in den kommenden Jahren seismische Veränderungen erfährt. Farley, der den Chefposten im Oktober übernommen hat, präsentierte den zweitgrößten Detroiter Autohersteller auf seiner ersten großen Investorenveranstaltung als technologiegetriebenes Wachstumsunternehmen. Die Strategie baut auf dem Wall-Street-freundlichen Ansatz auf, den General Motors unter CEO Mary Barra fährt, jedoch mit einem schärferen Fokus auf gewerbliche Kunden, um Fords Dominanz bei kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht zu gefährden.

Die aufsehenerregendsten Aspekte der Strategie drehen sich um Elektrofahrzeuge. Ford plant nun, bis 2025 mehr als 30 Milliarden US-Dollar für E-Autos auszugeben und erwartet, dass sie bis 2030 rund 40 Prozent seiner weltweiten Verkäufe ausmachen. Die Puzzleteile der Elektrifizierungsstrategie haben sich diesen Monat glänzend zusammengefügt. Das Unternehmen schloss einen Vertrag über die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien mit dem südkoreanischen Zulieferer SK Innovation, hat in das Startup-Unternehmen Solid Power investiert und die vollelektrische Version seines Bestsellers F-150 vorgestellt.


   Konzentration auf E-Mobilität und Software 

Die auffälligsten Elemente des Plans waren die Schaffung einer eigenen Nutzfahrzeugabteilung, die sowohl E-Fahrzeuge als auch herkömmliche Fahrzeuge an Unternehmen verkaufen soll, und die Konzentration auf spezielle Software-Updates. Beide sind miteinander verbunden. Geschäftskunden könnten früher als andere Verbraucher bereit sein, für neue Dienste zu zahlen, die auf die Datenverbindungen der Fahrzeuge angewiesen sind. Ford sieht einen 20-Milliarden-Dollar-Markt für solche Dienste bis 2030.

Solche Prognosen sind hochgradig spekulativ - der Markt existiert noch kaum -, aber sie sind ein entscheidender Teil der Wachstumsgeschichte, die den großen Autoaktien in letzter Zeit neuen Auftrieb gegeben hat. Wenn Fahrzeuge sich zu einer sich ständig weiterentwickelnden digitalen Verkaufsplattform mausern, ähnlich wie heute das Smartphone, dann können Unternehmen wie Ford die Investoren mit der Zeit wohl davon überzeugen, dass sie nicht nur Hardware-Unternehmen sind. Tesla und Apple gelang das mit spektakulärem Erfolg.


   Höhere Margen dank Software 

Software könnte auch helfen, die Margen der Fahrzeughersteller zu verbessern. Bei Ford wie auch anderswo in der Autoindustrie werden E-Autos aufgrund der hohen Kosten für die Batterien anfangs geringere Gewinnspannen aufweisen als herkömmliche Modelle. Der Konzern hofft, dass die Skalierung, kombiniert mit den regelmäßigen Software-Updates, neue Einnahmequellen und geringere Kosten mit sich bringt. "Das sind keine Elektrofahrzeuge, das sind digitale Fahrzeuge", stellt Farley klar, der seinen Plan "Ford+" nennt.

Die Vision mag sich als sehr optimistisch erweisen, aber was auch immer passiert, Software wird wahrscheinlich eine viel größere Rolle in der Zukunft der Autoindustrie spielen. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt für die Hersteller, um sich mit den Auswirkungen der Umwandlung von Autos in rollende personalisierte Geräte auseinanderzusetzen.


   Ford-Aktie mit prächtigen Kursgewinnen 

Die Aktie von Ford kletterte zuletzt um 7 Prozent und liegt in diesem Monat 19 Prozent im Plus - ein Zeichen dafür, dass sich die Investoren in der Autoindustrie weiterhin stark auf die Technologie von morgen konzentrieren und nicht auf die operativen Probleme von heute. So stört offenbar nicht sonderlich, dass Ford von der Chip-Knappheit stärker betroffen ist als andere Unternehmen.

Die gute Nachricht für Investoren lautet, dass die Aktie im Verhältnis zu den voraussichtlichen Umsätzen von Ford und noch mehr zu denen von GM - einem Unternehmen, dem Ford immer ähnlicher wird - immer noch angemessen bewertet ist. Farleys kühne Vision muss nicht perfekt aufgehen, damit die Aktionäre weitere Gewinne erzielen können.

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May 27, 2021 05:19 ET (09:19 GMT)