Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Der Stil von Gucci ist außergewöhnlich. Und auch die Verkäufe können sich extrem entwickeln - mit exorbitanten Höhen und Tiefen. Da die Käufer das Design einmal mehr satthaben, muss die italienische Marke zeigen, dass sie wieder auf die Beine kommt.

Gucci-Anzeigen werden nächsten Monat schwer zu übersehen sein. Das Label hat kürzlich einen neuen Designer eingestellt, Sabato De Sarno, der seine erste Kollektion im September auf der Mailänder Modewoche präsentiert. Der in Paris börsennotierte Gucci-Eigentümer Kering hat in den Wochen nach der Modenschau eine Werbeoffensive auf Plakaten, in Magazinen und in den sozialen Medien geplant. Das soll alles einem Zweck dienen - die stagnierenden Verkäufe anzukurbeln. Der Konzern hofft, Gucci wieder auf den Radar der Luxusfans zu bringen.

Gucci hat schon früher turbulente Zeiten erlebt. Das Label stand vor 30 Jahren kurz vor dem Bankrott, bis der US-Designer Tom Ford 1994 als Kreativdirektor eingestellt wurde und den Umsatz innerhalb eines Jahrzehnts ungefähr verdreifachte. Bis 2014 hatte Gucci seinen Vorsprung wieder verloren, so dass das große US-Kaufhaus Bergdorf Goodman nicht mehr mit der Marke zusammenarbeiten wollte.

Das änderte sich, als der nunmehr scheidende Chef von Gucci, Marco Bizzarri, 2015 das Ruder beim Unternehmen herumriss und mit der bisher mutigsten Umgestaltung der Luxusgüterbranche begann. Er riskierte viel, indem er den damals noch unbekannten Designer Alessandro Michele engagierte, dessen übertriebene Kollektionen bei den Käufern sehr beliebt waren. Michele schickte Models in pelzgefütterten Gucci-Slippern über den Laufsteg und übernahm sowohl die Westminster Abbey in London als auch den Hollywood Boulevard in LA für Modenschauen.

Er startete neue Kooperationen wie eine mit dem Harlem-Designer Dapper Dan, der in den 1980er Jahren besser dafür bekannt war, Nachahmungen von Luxusdesigns für Hip-Hop-Stars zu produzieren. "Wir haben nicht auf Fokusgruppen geschaut. Wir haben nicht auf Verbraucher geschaut. Wir haben einfach genau das getan, was wir tun wollten", prahlte Bizzarri vor Anlegern auf einem Kapitalmarkttag 2018. Dieser leicht rücksichtslose Ansatz wirkte sich positiv auf den Umsatz des Unternehmens aus.


  Bei Gucci kränkelt es derzeit bei den Umsätzen 

Dann wurde Guccis ursprüngliches Ziel, einen Umsatz von 6 Milliarden Euro zu erreichen, gegenüber 3,5 Milliarden Euro vor der Umstrukturierung, innerhalb von zwei Jahren furios geschafft. Das spätere Ziel, die 10-Milliarden-Euro-Marke zu knacken, wurde bis 2019 nahezu markiert. In den ersten vier Jahren des neuen Erscheinungsbilds von Gucci war Kering die begehrteste Aktie im Luxussegment und erzielte im Durchschnitt eine jährliche Gesamtrendite für die Aktionäre von mehr als 30 Prozent.

Doch der Marke ging viel schneller als erwartet die Puste aus. Im zweiten Quartal dieses Jahres schob sich der Umsatz von Gucci nur um 1 Prozent, und das Unternehmen verpasste den Goldrausch, der andere Luxusmarken während der Pandemie bereichert hatte. Im Jahr 2022 rangierten die Umsätze der Mode- und Lederwarensparte des Konkurrenten LVMH, zu der Marken wie Louis Vuitton und Christian Dior gehören, 74 Prozent über dem Niveau von 2019. Der Umsatz von Gucci im Jahr 2022 lag nur 9 Prozent höher.

Rückblickend war die Entscheidung von Kering, sein Werbebudget zu Beginn der Pandemie zu kürzen, um die Gewinnmargen zu schützen, ein Fehler. Mächtige Konkurrenten, die den gegenteiligen Ansatz verfolgten und viel Geld ins Marketing investierten, gewannen Marktanteile. Guccis sehr trendige Designs schreckten auch ältere Käufer ab und machten die Marke erst recht angreifbar, wenn junge Verbraucher von dem Look gelangweilt waren.

Einstmals machten wankelmütige Millennials 60 Prozent der registrierten Gucci-Käufer aus, und ihr Interesse begann vor drei Jahren zu schwinden. Kann Gucci seinen zweiten großen Abschwung in einem Jahrzehnt umkehren? Kering vermag auf eine großartige Erfolgsbilanz bei der Neugründung von Marken zurückzublicken. Der Konzern verwandelte das verschlafene Balenciaga in ein modernes, erfolgreiches Label - zumindest bis die kontroverse Werbung im vergangenen Jahr die Gemüter erhitzte. Die Reklame zeigte Kinder mit Teddybär-Handtaschen, die in etwas gekleidet waren, das wie Bondage-Klamotten aussah. Darüber hinaus glückte die Neugestaltung von Bottega Veneta.


  Kering ist notorisch für erhebliche Aufs und Abs 

Aber Kering ist nicht gut darin, das stetige, zuverlässige Wachstum zu generieren, das Luxusaktionäre wirklich schätzen. Seine Marken können in die Höhe schnellen, bevor sie wieder auf den Boden fallen. Die Wahrnehmung, dass seine Marken zu modisch und anfällig für wechselnde Trends sind, ist der Hauptgrund dafür, dass die Aktien von Kering mit einem großen Abschlag gegenüber den Konkurrenten LVMH und Hermès gehandelt werden.

So bedienen die beiden Rivalen eher konservative Geschmäcker mit klassischen Designs. Für Kering könnte es ein schlechtes Zeichen sein, dass der Geschmack der Luxuskäufer konventioneller wird, da sich die Aussichten für die Weltwirtschaft abschwächen. Laut dem Brand Leading Indicator der Bank of America, der Suchmaschinendaten, Website-Besuche und Social-Media-Follower für große Luxuslabels erfasst, übertreffen dezente Marken mittlerweile extravagante Labels im Internet. Gucci nähert sich dem unteren Ende des Rankings der Bank.

Allerdings wurde Guccis erfolgreiche Trendwende im Jahr 2015 auch in einem schwächelnden Luxusmarkt eingeläutet. Aber Kering kann es sich heute nicht leisten, mit seinem wichtigsten Kapital das gleiche Risiko einzugehen. Gucci ist mittlerweile ein 10,5-Milliarden-Euro-Label und erwirtschaftete im Jahr 2022 rund 51 Prozent des Gesamtumsatzes von Kering und 67 Prozent des Betriebsgewinns. Dies ist ein Anstieg gegenüber 34 Prozent des Umsatzes und 63 Prozent des Betriebsgewinns im Jahr der Übernahme. Die gute Nachricht lautet, dass Kerings milliardenschwerer Eigentümer Francois-Henri Pinault frühzeitig mit einem Umbau im Management gegengesteuert hat. Seine rechte Hand Jean-François Palus wird Interims-Chef, um sicherzustellen, dass die Einführung des neuen Gucci-Looks reibungslos verläuft.


  Börse erwartet nicht viel von Kering 

Die Suche nach einem festen Chef wird noch in diesem Jahr beginnen. Doch die Erwartungen für diesen Neustart sind niedrig. Kering-Aktien werden mit einem Abschlag von 40 Prozent auf den Durchschnitt der erwarteten Gewinne des europäischen Luxusgütersektors gehandelt. Außerdem ist Kering nach dem Uhrenkonzern Swatch die zweitbilligste Aktie in der Branche. Das mutet übertrieben pessimistisch an. Doch um wirklich die Stimmung der Börsianer in Hinblick auf Kering zu drehen, sind stetige Einnahmeflüsse vonnöten. Das Ankurbeln der Umsätze wird auch nicht günstig. So schalten mehr und mehr Luxusgüterkonzerne Werbung, um die Aufmerksamkeit der Kunden für sich zu gewinnen. Selbst wenn die Models in Guccis bald zu präsentierender Werbekampagne nonchalant wirken dürften, ist die Realität hinter den Kulissen ganz anders. Für Kering geht es um sehr viel im Markenumbau und setzt alles daran, dass die Käufer wieder zugreifen.

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August 04, 2023 10:14 ET (14:14 GMT)