Wir sprachen mit Hannes Voraberger, dem Leiter des Bereichs Research & Development, über Zukunftstrends in der Branche und wie Innovation und die "New Working World" bei AT&S gelebt werden.

Frage: Leiterplatten sind aus unserer hoch technologisierten Welt nicht wegzudenken - wo findet man aktuell überall Produkte von AT&S?

Voraberger: Überall da, wo "Digitalisierung" drinnen steckt. Ganz allgemein gesprochen, sorgen unsere Leiterplatten dafür, dass Signale transportiert und Geräte mit Strom versorgt werden bzw. die Geräte eine mechanische Stabilität bekommen.

Wirklich zur Weltmarktspitze aufgestiegen sind wir seinerzeit mit den Hauptplatinen für die Mobiltelefone von Nokia und Blackberry. Davon ausgehend findet man Produkte von AT&S heute in selbstfahrenden Autos genauso wie in 5G-Antennen oder in Hörimplantaten.

F: Erst kürzlich hat AT&S mit einem Bildsensor für Aufsehen gesorgt, der kleiner ist als ein Reiskorn. Wieso müssen Ihre Produkte eigentlich immer kleiner werden?

V: Miniaturisierung spielt eine zentrale Rolle in der Verarbeitung und dem Transport von Daten, denn je kleiner und dünner die sogenannten Knoten, also die eigentlichen "Rechner" in einem Chip, werden, desto weniger Energie brauchen sie beim Rechnen. Allerdings sind wir gerade im Bereich der Miniaturisierung darauf angewiesen, dass das Gesamtsystem auf unsere Chips abgestimmt ist.

Das ist auch der Grund, warum wir uns vor einigen Jahren dazu entschlossen haben, in der Wertschöpfungskette einen Schritt Richtung Chip zu gehen und nun auch Substrate - also sozusagen die Leiterplatten, auf die Siliziumkomponenten aufgebracht und ummantelt werden, die dann auf die Hauptplatinen kommen - herzustellen.

F: Und warum werden die Knoten immer kleiner?

V: 2019 wurde die 7-Nanometer-Knotentechnologie vorgestellt, die die Rechengeschwindigkeit um bis zu 40 Prozent erhöht und gleichzeitig 65 Prozent weniger Energie verbraucht. Aktuell wird an der 5-nm-Knotentechnologie gearbeitet und die Grundlagen für die 2-nm-Knotentechnologie werden entwickelt, die noch einmal bis zu 45 Prozent mehr Leistung und 75 Prozent Energieersparnis gegenüber der 7-nm verspricht. Und in der Energieersparnis liegt auch das große Ziel in unserer Forschungsarbeit.

Denn es steht fest, dass Datenverarbeitung und -transport weiter zunehmen werden - denken wir nur an die Videotelefonie oder die E-Mobilität - wir es uns aber nicht leisten können, noch mehr Energie dafür aufzuwenden. Gerade in der E-Mobilität gibt es noch viel Optimierungspotenzial. Der Strom wird vom Kraftwerk bis zur Straße zehn bis 15 Mal umgewandelt und hier geht jedes Mal Energie verloren. In diesem Bereich beschäftigen wir uns intensiv mit der Wide-Bandgap-Halbleitertechnologie, die diesen Energieverlust um bis zu 60 Prozent reduzieren kann.

F: An diesen Beispielen liest man bereits sehr gut ab, wie wichtig Innovation für AT&S ist. Kann man Innovation gar lernen?

V: Nein. Aber als Unternehmen kann man ein Umfeld schaffen, das Innovation ermöglicht und fördert. Am Anfang steht bei uns eigentlich immer eine klare Aufgabenstellung, die sich aus unserer Innovationsstrategie ableitet. Jeder ist eingeladen, sich hier mit kreativen Ideen und Lösungsansätzen einzubringen.

Der Rest, also all die Schritte, die es braucht, um ein Produkt auf den Markt zu bringen und in entsprechender hoher Stückzahl zu produzieren, braucht effiziente Prozesse und professionelle Organisation. Und diese Transformation von der ersten Idee bis zur Produktion ist immer eine Herausforderung.

Zentrale Rolle spielt dabei sicherlich auch eine richtige Fehlerkultur im Unternehmen. Auch wenn es schwerfällt, aber ein Fehler muss als Geschenk gesehen werden, durch das man lernen durfte. Eine Kultur in der "nix schief gehen darf" führt dazu, dass Fehler verheimlicht werden und das ist das Schlimmste. Wir sind Menschen, die sich am Rande des Machbaren bewegen und da passiert immer was. Deshalb ist es wichtig, darüber zu reden und zu lernen.

F: Sie haben gerade das richtige Umfeld für Innovation angesprochen. AT&S baut aktuell am Standort Leoben ein neues Bürogebäude, das von Raiffeisen-Leasing finanziert wird, und das unter dem Titel "New Working World" steht. Können Sie einen kurzen Einblick geben, was man bei AT&S unter dieser neuen Arbeitswelt versteht?

V: Homeoffice und Remote Work wurden bei uns schon vor der Pandemie quer durch viele Abteilungen als Arbeitsmodell genutzt. Durch die Pandemie hat sich dieser Trend weiter verstärkt und wir sehen die Vorteile flexibler Modelle nun noch deutlicher. Natürlich kann im Homeoffice sehr effizient gearbeitet werden, aber es müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür vorhanden sein.

Deshalb wird das neue Bürogebäude zum Beispiel ausreichend Möglichkeiten bieten, die man für Videotelefonate mit Kollegen im Homeoffice nutzen kann. Aufgelockerte Großraumbüros und viele Bereiche, in denen man sich allein oder als Gruppe zum konzentrierten Arbeiten zurückziehen kann, geben uns außerdem die nötige Flexibilität, um die schwankenden Zahlen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort gut ausbalancieren zu können. Die Vorteile von gut funktionierenden virtuellen Treffen beeinflussen auch die Zahl der Dienstreisen, die - nicht nur Corona bedingt - zurückgehen.

Allerdings wird man langfristig eine gute Mischung brauchen, denn wir merken jetzt schon, dass der inoffizielle Austausch, der etwa am Rande einer Dienstreise passiert, fehlt. Etwa, wenn jemand in unserem Werk in China gerade an einer ähnlichen Problemstellung arbeitet und diese vielleicht auch schon gelöst hat, ohne dass wir voneinander wissen.

Und hier schließt sich wieder der Kreis zu unseren Produkten - denn die Digitalisierung spielt in der neuen Arbeitswelt eine zentrale Rolle. Wir brauchen immer mehr Leistung, können es uns aber nicht leisten, noch mehr Energie dafür zu verwenden.

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Raiffeisen Bank International AG published this content on 23 November 2021 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 22 November 2021 23:08:06 UTC.