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ASCHHEIM (dpa-AFX) - Der wegen möglicher Bilanzmanipulationen unter Druck stehende Zahlungsdienstleister Wirecard hat erneut die Vorlage der testierten Zahlen für 2019 verschoben. Die Veröffentlichung soll nun zwei Wochen später am 18. Juni erfolgen, wie das Unternehmen am späten Montagabend in Aschheim mitteilte. Auch die Hauptversammlung soll später als bisher geplant am 26. August über die Bühne gehen. Nach wie vor konnte der reguläre Wirtschaftsprüfer Ernst & Young nicht alle Prüfungshandlungen abschließen. Der Konzern erwartet aber weiter ein uneingeschränktes Testat und keine wesentlichen Abweichungen zu den veröffentlichten vorläufigen Zahlen.

Es ist bereits die dritte Verschiebung des Jahresabschlusses. Ursprünglich war für die Bilanzvorlage einmal der 8. April eingeplant, dann der 30. April und zuletzt der 4. Juni.

Wegen der Zweifel an den Geschäftspraktiken des Zahlungsdienstleisters hatte Wirecard im vergangenen Oktober eine Sonderprüfung der Bücher für die Jahre 2016 bis 2018 durch KPMG veranlasst. Der Ende April veröffentlichte Bericht konnte dabei nicht alle Zweifel ausräumen. Auch wenn die eigens beauftragten Prüfer bisher nicht den sprichwörtlichen "rauchenden Colt" bei Wirecard finden konnten - Bedenken blieben. So konnte KPMG unter anderem einige kritische Daten von sogenannten Drittpartnern nicht einsehen, in einem wichtigen Teilaspekt der Prüfung konnten sich die Prüfer daher gar nicht zu einem Urteil durchringen.

Wirecard-Chef Markus Braun hatte zuletzt unaufhörlich beteuert, dass alles in Ordnung ist. Bei Vorlage des KPMG-Sonderberichts hatte er noch gesagt, dass EY allein wegen dieser Sonderprüfung keine Verzögerungen für die reguläre Buchprüfung 2019 sehe. Nach offizieller Unternehmensdarstellung ist es vor allem Reisebeschränkungen und Verzögerungen durch die Corona-Krise geschuldet, dass bisher noch kein Testat vorliegt.

Finanzchef Alexander von Knoop bedauerte die abermalige Verschiebung. "Die erneute Verzögerung bei der Vorlage eines testierten Abschlusses ist mehr als ärgerlich - mit oder ohne Covid-19. Ich gehe davon aus, dass sich keine wesentlichen Abweichungen dieses sehr intensiv geprüften Abschlusses gegenüber den gemeldeten vorläufigen Zahlen ergeben." Immerhin habe EY Wirecard darüber informiert, dass zwischenzeitlich alle ausländischen Prüfer grundsätzlich ihre Prüfungshandlungen für Konzernzwecke finalisieren konnten.

Im Rahmen der abgeschlossenen Teile der Prüfungshandlungen wurden Wirecard bisher keine wesentlichen Feststellungen bekannt gemacht, hieß es weiter. Diese oder eine ähnliche Formulierung wählte Wirecard schon des öfteren, wenn hinterher dennoch handfeste Fragen offen blieben oder sogar kleinere Buchungen korrigiert werden mussten wie bei einer Tochter in Singapur.

Wegen des massiven Verlusts des Börsenwerts in den vergangenen Wochen und dem zunehmenden Druck der Investoren soll Braun, der auch mit sieben Prozent an dem Konzern beteiligt ist, formal im Vorstand etwas Macht abgeben und sich vorwiegend um die Strategie kümmern. In der obersten Führungsriege wird ihm mit dem Amerikaner und Deutsche-Börse-Manager James Freis ein Aufpasser an die Seite gestellt, der die Einhaltung von Regeln und guter Unternehmensführung im Konzern überwachen soll. Zudem will Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann neue Vorstandsmitglieder für den Vertrieb und das Tagesgeschäft installieren.

Die erneute Verzögerung bei der Bilanzvorlage beendete die jüngste leichte Erholung der Wirecard-Aktie wieder trotz eines leichten Auftriebs im Leitindex Dax. Die Aktie büßte am Vormittag 1,5 Prozent auf 85,84 Euro ein. Aus Sicht von Baader-Bank-Analyst Knut Woller, der den Titel nach wie vor mit einem Kursziel von 240 Euro zum Kauf empfiehlt, ist die Vorlage der Bilanz sowie weiterer Untersuchungsergebnisse aus der KPMG-Sonderprüfung ein wichtiges Ereignis. Wenn das Ergebnis positiv ausfalle, sollte das auch der Aktie auf die Beine helfen.

Der Kurs des seit September 2018 im deutschen Leitindex Dax notierten Papiers steht seit der Veröffentlichung des KPMG-Sonderberichts massiv unter Druck. Er stürzte zeitweise um fast die Hälfte auf 72 Euro ab, konnte sich aber zuletzt unter anderem wegen des Vorstandsumbaus zumindest wieder etwas erholen.

Dennoch liegt das Papier weiter deutlich unter dem Niveau, welches es vor den ersten Berichten der "Financial Times" über angeblich manipulierte Bilanzen Ende Januar 2019 hatte. Damals stürzte die Aktie innerhalb weniger Tage von mehr als 160 Euro auf weniger als 100 Euro ab. Bis zum KPMG-Sonderbericht konnte sich der Kurs dann unter heftigen Schwankungen wieder auf etwas mehr als 140 Euro erholen - mit dem Rutsch seit Ende April fiel das Papier aber wieder auf das Niveau von Ende 2017 zurück./zb/men/ssc/jha/