"Wir sind uns einig, dass wir im Interesse des Unternehmens auf dem Weg der Erneuerung konsequent weiter voranschreiten wollen - und das im richtigen Maß und Tempo", erklärte Carl Ferdinand Oetker. Der Aufsichtsrat hatte den 43-jährigen Bankier aus der Bielefelder Milliardärs-Familie in der Nacht zum Samstag zu seinem Vorsitzenden gewählt, nachdem die Aktionäre Abend mit 56 Prozent der Stimmen abgesetzt hatten. Es war das erste Mal, dass sich rebellische Investoren bei einem großen börsennotierten Unternehmen in Deutschland in einer Kampfabstimmung durchsetzten.

Oetker ist der einzige von sechs Aktionärsvertretern, der dem Aufsichtsrat von Stada schon vorher angehört hatte. AOC war mit einem Abwahlantrag auch gegen ihn gescheitert. Der Investor hatte ihm vorgeworfen, er habe wie Abend Vetternwirtschaft und Gehaltsexzesse im Vorstand um den langjährigen Stada-Chef Hartmut Retzlaff zugelassen. Das Unternehmen zeige ein "Bild der Zerrissenheit". Oetker ging nach seiner Wahl einen Schritt auf die kritischen Anteilseigner zu: "Wichtiger Kernpunkt unserer Arbeit soll der konstruktive Dialog mit allen Aktionärsgruppen sein."

Der streitbare Investor Active Ownership Capital (AOC), der den Abwahlantrag gestellt hatte, brachte selbst nur einen seiner vier Kandidaten für den Aufsichtsrat durch. AOC will sein rund 150 Millionen Euro schweres Aktienpaket behalten: "Wir werden Stada nach dieser dringend notwendigen Erneuerung als Ankeraktionär‎ weiter unterstützen", erklärte der Investor am Sonntag.

Der von den Bankern Klaus Röhrig und Florian Schuhbauer gegründete Fonds war im Frühjahr mit fünf Prozent eingestiegen. Seither ist die im Nebenwerteindex MDax notierte Stada-Aktie um 44 Prozent gestiegen. Aktivistische Investoren wie AOC starten öffentliche Kampagnen, mit denen sie einen Kurswechsel erzwingen wollen, um den Aktienkurs nach oben zu treiben. Die vor allem in den USA verbreitete Strategie schwappt zunehmend nach Europa.

Oetker sitzt seit 2009 im Aufsichtsrat von Stada, seit 2014 war er Abends Stellvertreter. 2015 verließ er das familieneigene Bankhaus Lampe, an dem er auch beteiligt ist. Heute führt er die private Vermögensverwaltung der Familie, die zu den reichsten in Deutschland gezählt wird. Ihr gehören der Nahrungsmittelkonzern Dr. Oetker, die Reederei Hamburg-Süd und der Getränkekonzern Radeberger.

BLEIBT WIEDENFELS IM AMT?

Eine der ersten Aufgaben des neuen Aufsichtsrats ist die Suche nach zwei Vorständen für Vertrieb und Produktion, die Retzlaffs Aufgaben übernehmen sollen. Vorstandschef Matthias Wiedenfels wartet auf seine endgültige Bestätigung - das hatte Abend ausdrücklich dem neu besetzten Gremium überlassen. Der Jurist Wiedenfels ist bisher zunächst nur für ein Jahr bestellt. Er war im Juli eingesprungen, als Retzlaff sich krank gemeldet hatte, begann aber rasch, eine neue Strategie mit ehrgeizigeren Zielen auszuarbeiten. Der Vertrag mit Retzlaff, der Stada in 23 Jahren vom Mittelständler zum Milliarden-Konzern gemacht hatte, wurde Mitte August gegen eine Millionen-Abfindung endgültig aufgelöst.

Zudem muss der Aufsichtsrat einen dritten Anlauf nehmen, die Gehalts- und Bonus-Regeln für den Vorstand neu zu fassen. Fast drei Viertel der Aktionäre lehnten das Vergütungssystem auf der Hauptversammlung ab. Zustimmung fand dagegen die Abschaffung der vinkulierten Namensaktien, die als Hürde für eine Übernahme von Stada galten.

AOC resümierte: "Wir haben unsere Hauptziele erreicht: den Aufsichtsratsvorsitzenden abzusetzen und den Aufsichtsrat kompetent zu besetzen." Doch dort hat AOC nur geringen Einfluss. Von seinen vier Alternativ-Kandidaten wurde nur der Schweizer Eric Cornut gewählt, ein ehemaliger Novartis-Manager. Stada habe sich durchgesetzt, sagte Ex-Aufsichtsratschef Abend. "Das war mir wichtig, dafür habe ich gekämpft, auch wenn ich nicht mehr Teil des Teams sein kann." AOC hatte sich auch hinter die Opel-Marketing-Chefin Tina Müller und den ehemaligen Amgen-Manager Rolf Hoffmann gestellt, die neu in das Gremium einziehen.

Dem Aktionärstreffen droht aber ein juristisches Nachspiel. AOC prüft eine Klage, weil es bei der Wahl der beiden weiteren Aufsichtsräte nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Im ersten Wahlgang hatten weder die Kandidaten von Stada noch die von AOC eine Mehrheit erhalten. Darauf wurde eine Stichwahl angesetzt, was der Finanzinvestor für "rechtlich fragwürdig" hält. Auf den Vorschlag, je einen Stada- und einen AOC-Kandidaten zu wählen, ließ sich das Unternehmen nicht ein. Insgesamt dauerte der Abstimmungsmarathon mehr als fünf Stunden.