Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Auch in der kommenden Woche ist ein nachhaltiger Ausbruch des DAX aus der Seitwärtsspanne zwischen 15.500 und gut 16.300 Punkten nicht in Sicht. Nachdem die jüngsten Attacken sowohl auf der Ober- als auch auf der Unterseite gescheitert sind, hat sich der deutsche Leitindex wieder fest in der Spanne etabliert. Dabei dürften die Risiken nach unten die Chancen nach oben derzeit etwas überwiegen. Im Blick stehen die Renditen der Langläufer und die Entwicklung in China.

In China wird die Lage zunehmend schwierig. Wie die jüngsten Preisdaten gezeigt haben, droht dem Land nun sogar ein Abrutschen in die Deflation. Ein Grund dafür mag sein, dass China Russland im Umfeld der Sanktionen bei den Rohstoffpreisen geradezu auspresst und Metalle sowie russisches Öl nur zu Niedrigstpreisen abnimmt. Die Makrodaten in China deuten aber nicht darauf hin, dass sich die günstigen Importe aus Russland positiv auf die Konjunktur auswirken. Und die Lage am Immobilienmarkt in China soll schon längere Zeit ähnlich schwierig sein wie in den USA vor Ausbruch der großen Finanzkrise. Verstummt sind nun die Stimmen, nach denen China die USA als größte Volkswirtschaft der Welt bereits kurzfristig ein- oder gar überholen sollte.

Einige Marktteilnehmer erwarten nun statt der kleinen geld- und fiskalpolitischen Schritte eine große Bazooka, ein konzertiertes großes Stimulus-Paket zur Stützung der Wirtschaft und vielleicht auch zur Beseitigung der Probleme. Sollte dieses kommen, dürften die von China abhängigen Titel wie Autoaktien oder auch Siemens in den Vordergrund rücken und deutlich anziehen. Ohne ein solches Paket dürften die von China abhängigen Titel dagegen weiter vernachlässigt werden. Favorisiert werden dann voraussichtlich nach wie vor Titel mit keinem oder geringem China-Engagement wie zum Beispiel die Versicherungen. Neue China-Daten gibt es am Dienstag mit der Industrieproduktion und den Einzelhandelsumsätzen.

Das nächste große Fragezeichen hinter die Entwicklung der Aktienmärkte setzen die Renditen, und hier besonders die US-Renditen. Die US-Geldpolitik wirkt bereits restriktiv, und der US-Aktienmarkt ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von gut 20 nicht billig. Die kurzfristigen Zinsen liegen fast 2 Prozentpunkte über der Inflationsrate, die langfristigen etwa einen Punkt. Sollte die 10-jährige Rendite auf 5 Prozent steigen, dürfte die Bremswirkung auf die Konjunktur weiter zunehmen. Die Annahme eines Gewinnanstiegs im S&P-500 im mittleren einstelligen Prozentbereich im laufenden dritten Quartal könnte dann nach unten drehen mit negativen Auswirkungen auf die Aktienmärkte. Ein Risikofaktor für die Renditen ist der steigende Ölpreis.


   DAX nach wie vor sehr günstig bewertet  - und Geldpolitik noch expansiv 

Eine Zinserhöhung ist in den USA vermutlich nicht mehr notwendig. Denn auch das Quantitative Tightening wirkt restriktiv, die KfW berechnet den Effekt laut Marktteilnehmern wie zusätzliche Zinserhöhungen um 230 Basispunkte. In der Eurozone liege der Effekt bei 60 Basispunkten. Und hier liegen sowohl die kurzfristigen Zinsen als auch die Renditen der Langläufer noch unter den Inflationsraten, damit wirkt die Geldpolitik tendenziell immer noch eher expansiv. Das begrenzt die Risiken an den europäischen Aktienmärkten stark, auch weil sie als günstig bewertet gelten. Die KGV liegen sowohl im DAX als auch im Euro-Stoxx-50 auf Basis der Gewinnschätzungen für dieses Jahr nur bei knapp über 11.

Andererseits geht das Quantitative Tightening auch in der Eurozone weiter. Zudem ist unübersehbar, dass die Wirtschaftsflaute bereits in den Unternehmensbilanzen angekommen ist. Ohne eine Wende in der Geldpolitik oder zumindest klare Perspektiven darauf dürften deshalb die Chancen auf der Oberseite am Gesamtmarkt relativ gering sein. Marktteilnehmer sollten sich eher auf ein mixed picture einstellen, also eine uneinheitliche Tendenz, und dabei die Makrodaten fest im Blick behalten.

Am Dienstag werden nach den genannten Daten aus China die deutschen Großhandelspreise veröffentlicht und die ZEW-Konjunkturerwartungen, am Dienstagnachmittag die US-Einzelhandelsumsätze. Am Mittwoch stehen die britische Inflationsdaten sowie das Protokoll der jüngsten Sitzung der US-Notenbank auf der Agenda, am Donnerstag der Konjunkturindex der US-Notenbankfiliale in Philadelphia. Am Freitag steht dann der Verfall der August-Optionen an den Terminbörsen im Blick. Er könnte zusätzlich dafür sorgen, dass der DAX in der kommenden Woche seitwärts festhängt. Sollte der DAX allerdings doch nach unten herausfallen, besteht bei den Eurex-Positionen Anpassungsbedarf.

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August 11, 2023 05:44 ET (09:44 GMT)