LUDWIGSHAFEN (dpa-AFX) - Die infolge des Ukraine-Krieges deutlich gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise machen dem Chemiekonzern BASF immer mehr zu schaffen. Zwar legte der Umsatz des Dax-Konzerns im dritten Quartal erneut zu, das operative Ergebnis sank aber deutlich. BASF will nun wegen verschlechterter Geschäfte und erschwerter Rahmenbedingungen seine Kosten in Europa deutlich reduzieren. Was bei BASF los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI BASF:

Nachdem die Geschäfte für BASF noch im ersten Halbjahr rund gelaufen waren, wirken sich die hohen Rohstoff- und Energiekosten immer stärker auf das Geschäft des Ludwigshafener Chemiekonzerns aus.

Im dritten Quartal konnte BASF zwar seinen Umsatz dank höherer Preise und günstiger Wechselkurse im Jahresvergleich um 12 Prozent auf knapp 22 Milliarden Euro steigern. Das operative Ergebnis - der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sonderposten - brach jedoch um 28 Prozent auf 1,35 Milliarden Euro ein. Der Konzern konnte die gestiegenen Preise für Rohstoffe und Energie nur noch teilweise über höhere Verkaufspreise an seine Kunden weitergeben, teilte er bei der Vorlage vorläufiger Zahlen vor wenigen Tagen mit.

Unter dem Strich ging der Gewinn im Jahresviertel wegen Wertberichtigungen auf die Mehrheitsbeteiligung am Gas- und Ölkonzern Wintershall Dea von 1,25 Milliarden Euro auf voraussichtlich 909 Millionen Euro zurück. BASF begründete dies mit der teilweisen Abschreibung der von Wintershall Dea gehaltenen Beteiligung an Nord Stream AG, die die Pipeline Nord Stream 1 betreibt. Seit Wochen fließt durch die Pipeline kein Gas mehr von Russland nach Deutschland. Zuletzt gab es mehrere Lecks in der Rohrleitung.

Wegen verschlechterter Geschäfte und schwierigerer Rahmenbedingungen in Europa legt die BASF-Führung nun ein drastisches Sparprogramm auf, das in den Jahren 2023 bis 2024 umgesetzt werden soll. Die Kürzungen sollen die jährlichen Kosten außerhalb der Produktion um 500 Millionen Euro senken. Mehr als die Hälfte der Einsparungen will der Vorstand am Standort Ludwigshafen realisieren, wo BASF rund 39 000 seiner weltweit etwa 111 000 Mitarbeiter beschäftigt. Sowohl Unternehmens-, Service- und Forschungsbereiche als auch die Konzernzentrale sollen gestrafft werden, hieß es. Dabei schließt das Unternehmen Stellenstreichungen nicht aus.

Derweil kündigte die Chemie-Gewerkschaft IG BCE Gegenwehr an. "Tiefe Einschnitte an den heimischen Standorten anzukündigen, während Politik und Sozialpartner einen milliardenschweren Abwehrschirm aufspannen, ist nicht nur maximal instinkt- und respektlos, sondern wird auch auf unseren entschiedenen Widerstand treffen", sagte der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis der Deutschen Presse-Agentur.

Man unternehme gerade massive Anstrengungen, um die Folgen der Gaskrise auf die energieintensive Industrie zu minimieren, sagte der Gewerkschaftschef, der als Co-Vorsitzender einer Expertenkommission an den Vorschlägen für eine Gaspreisbremse mitgewirkt hatte. Es brauche jetzt Sicherheit für Beschäftigte, Perspektiven für Standorte und nicht nur Management zulasten Dritter, sagte Vassiliadis, der auch im Aufsichtsrat von BASF sitzt. "Der Vorstand wollte die in wenigen Tagen stattfindende Aufsichtsratssitzung offenbar nicht abwarten, um sich zu erklären."

BASF gehört zu den Gas-Großverbrauchern in Europa. Der Erdgasverbrauch in Ludwigshafen betrug 2021 in etwa 37 Terawattstunden, davon wurde etwa die Hälfte für die Strom- und Dampferzeugung verwendet, der andere Teil als Rohstoff.

BASF hat bereits einige Maßnahmen ergriffen, um das Risiko zu mindern, wie Unternehmenschef Martin Brudermüller Ende Juli gesagt hatte. Die Vorbereitungen, um Erdgas etwa durch Heizöl zu ersetzten, kämen voran - soweit dies technisch möglich sei. Bei Anlagen, die große Mengen an Erdgas benötigten, werde BASF die Produktion reduzieren. Dazu zählten etwa die Ammoniakanlagen. Die Mehrkosten für die europäischen BASF-Standorte beliefen sich Brudermüller zufolge im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr auf 800 Millionen Euro.

An seinen Jahreszielen hält der BASF-Vorstand unterdessen fest und rechnet weiterhin mit einem operativen Ergebnis vor Sonderposten zwischen 6,8 Milliarden und 7,2 Milliarden Euro. Detaillierte Quartalsergebnisse will der Konzern am 26. Oktober vorlegen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den 19 seit Vorlage der Zahlen zum zweiten Quartal im Juli von dpa-AFX erfassten Experten empfehlen elf die Aktie zum Kauf. Sieben raten zum Halten, einer empfiehlt den Verkauf. Im Schnitt liegt das Kursziel bei gut 55 Euro. Allerdings weisen die Schätzungen mit 37 bis 77 Euro eine große Spanne auf. Zuletzt kosteten die Papiere gut 43 Euro.

Analystin Georgina Fraser von der US-Investmentbank Goldman Sachs zeigte sich vom angekündigten Sparprogramm samt Stellenstreichungen wenig überrascht. Es würde sie nicht verwundern, wenn in den kommenden Monaten weitere Ankündigungen über die Senkung der Personalkosten in der gesamten europäischen Industrie gemacht werden würden. Nach Einschätzung des Analysten Oliver Wojahn von Alster Research konnte BASF nur etwa 75 Prozent der gestiegenen Rohmaterial- und Energiekosten an seine Kunden weitergeben.

Für Analyst David Varga von der Privatbank Metzler sind die angekündigten Änderungen der Verbundstrukturen in Deutschland viel bedeutender. Dabei dürfe es sich um hauptsächlich um die Verlagerung beziehungsweise Einstellung von besonders energieintensiven Produktionsprozessen in Ludwigshafen handeln. Der Konzern zweifle wohl erheblich daran, ob es in Deutschland mittelfristig eine wettbewerbsfähige Energieversorgung geben werde.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Corona-Krise hat der BASF-Aktie in der ersten Phase der Pandemie vor mehr als zwei Jahren ordentlich zugesetzt. Der Kurs rutschte innerhalb weniger Wochen um mehr als 40 Prozent ab. Mitte März 2020 kostete das Papier mit rund 37,36 Euro so wenig wie seit 2009 nicht mehr. Zwischenzeitlich konnte sich der Kurs deutlich erholen - bis auf fast 73 Euro im Frühjahr 2021.

Aber vom Krieg in der Ukraine, den Corona-Lockdowns in China und Problemen in den Lieferketten gezeichnet, trübte sich der Kurschart der BASF in den vergangenen Monaten deutlich ein. Mit dem jüngsten Fall bis unter die 40-Euro-Marke im Juli näherte sich der Kurs wieder dem Corona-Crash-Tief aus dem März 2020 - und nach einem weiteren Auf und Ab verfehlte er diese Marke Ende Oktober mit 37,90 Euro nur noch knapp.

Mit einem Jahresminus von fast 30 Prozent haben die Papiere bislang überdurchschnittlich stark verloren. Beim Dax ist der Verlust mit gut 20 Prozent geringer. Auch mittelfristig haben die Aktionäre wenig Freude. Seit dem Rekordhoch bei 98,80 Euro Anfang 2018 hat sich der Aktienkurs von BASF mehr als halbiert.

Auf Sicht von zehn Jahren haben die Papiere rund ein Fünftel eingebüßt, während sich der Dax und der europäischen Branchenindex Stoxx 600 Chemie in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt haben.

Derzeit beträgt der Börsenwert des Konzerns knapp 40 Milliarden Euro. Damit liegt BASF auf dem 14. Rang im Dax. Zur Amtsübernahme Brudermüllers im Mai 2018 hatte BASF mit ungefähr 80 Milliarden noch auf dem sechsten Platz gelegen./mne/stw/he