Berlin (Reuters) - Der Corona-Lockdown hat die deutschen Einzelhändler zum Jahresauftakt viel stärker ausgebremst als erwartet.

Ihr Umsatz fiel im Januar um 3,9 Prozent niedriger aus als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Preisbereinigt (real) gab es sogar ein Minus von 4,5 Prozent, der auf einen Rekordeinbruch von 9,1 Prozent im Dezember folgt. Ökonomen hatten hier lediglich mit minus 0,3 Prozent gerechnet. "Dieser Rückgang lässt sich mit dem anhaltenden Corona-Lockdown erklären, der eine Schließung vieler Einzelhandelsgeschäfte seit dem 16. Dezember 2020 bedeutete", hieß es. Auch das Ende der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung dürfte dazu beigetragen haben, weil viele Verbraucher größere Anschaffungen noch im alten Jahr machten, um Geld zu sparen.

"Wenn Geschäfte geschlossen sind, kann nun mal nichts verkauft werden", kommentierte der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger, die Entwicklung. Der Online-Handel sei zwar stark, könne das aber nicht ausgleichen. "Das Desaster dürfte sich auch im Februar noch fortgesetzt haben", sagte Krüger. "Viele Unternehmen werden das rettende Ufer trotz Lockdown-Lockerungen nicht erreichen."

Die einzelnen Branchen entwickelten sich zu Jahresbeginn stark unterschiedlich. Der Umsatz im Modehandel brach um 76,3 Prozent im Vergleich zum Januar 2020 ein. Mit Einrichtungsgegenständen, Haushaltsgeräten und Baubedarf wurden 42,4 Prozent weniger umgesetzt. Der Lebensmittelhandel - der geöffnet bleiben durfte - kam dagegen auf ein Wachstum von sechs Prozent. Auch der Internet- und Versandhandel lief erneut sehr gut, weil viele Verbraucher Online shoppen gingen. Hier stiegen die Einnahmen um 32,6 Prozent.

"ZEHNTAUSENDE VOR DEN TRÜMMERN IHRER EXISTENZ"

Auch der Einzelhandelsverband warnt angesichts der Umsatzmisere für Branchen wie dem Modehandel vor einer Pleitewelle. "Da gleichzeitig die Coronahilfen der Bundesregierung nach wie vor schleppend, nicht ausreichend und nicht passgenau ankommen, stehen in den Innenstädten Zehntausende Händler vor den Trümmern ihrer Existenz", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. "Oft droht auch der Absturz in die Armut, denn nach wie vor gibt es für die mittelständischen Inhaber keine Möglichkeit, sich einen Unternehmerlohn aus der staatlichen Unterstützung auszuzahlen." Der Handel brauche deshalb bei der Corona-Konferenz am Mittwoch von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten eine klare Öffnungsperspektive und wirksame Hilfen.

Der Modekonzern s.Oliver will bei einer Verlängerung des Lockdowns vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. "Man kann uns Händler nicht nach Belieben an- und ausschalten! Das bringt uns in finanzielle Probleme", sagte Vorstandschef Claus-Dietrich Lahrs der "Augsburger Allgemeinen". Er wirft Bund und Ländern eine Ungleichbehandlung im Handel vor. "Der Lebensmitteleinzelhandel und die Drogeriemärkte sind geöffnet und erfreuen sich bester Besucherfrequenzen." Eine Sprecherin sagte, s.Oliver prüfe eine Klage vor dem Karlsruher Gericht und wolle zunächst die weiteren Beschlüsse zum Lockdown abwarten: "Wir beobachten die Entscheidungen der Politik."

Die Folgen des Lockdowns belasten die Modehändler. Einer Umfrage des HDE zufolge plant rund ein Viertel der geschlossenen Textilhändler, vor Gericht zu ziehen. Aber auch große Ketten abseits des Modehandels wollen vor Gericht - etwa MediaMarktSaturn und die Buchhandelskette Thalia. Allein in Nordrhein-Westfalen haben vor dem Oberverwaltungsgericht Münster einer Sprecherin zufolge fünf Händler gegen die Schließungen geklagt, darunter die Textilkette Breuniger, die Baumarktette Obi und eine Filiale der Kette MediaMarktSaturn. "Die bereits seit mehr als zwei Monaten bestehenden Betriebsschließungen in Deutschland sind unverhältnismäßig", hatte der Deutschland-Chef der Elektronikhandelskette Media Markt und Saturn, Florian Gietl, kritisiert.