Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sich nach dem Verzicht der US-Regierung auf Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu einem Festhalten an der umstrittenen Gaspipeline bekannt. Beim WDR-Europaforum sagte der SPD-Kanzlerkandidat auf die Frage, ob er als Kanzler daran festhalte: "Ja, und die jetzige Regierung ja auch, da hat sich ja nichts daran geändert." Man habe dies immer als wirtschaftliches Projekt betrachtet. "Deshalb ist diese fast fertiggestellte Pipeline auch etwas, das am Ende fertiggestellt sein sollte." Man solle jetzt die Gelegenheit für eine gute Kooperation mit den USA nutzen.

CDU-Chef Armin Laschet bekannte sich bei der nach Angaben der Veranstalter ersten Diskussion der drei Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen ebenfalls zu der Pipeline. "Ich stehe zu dem Projekt und halte es für richtig", sagte er per Videoschalte. "Diese Entscheidung, wie wir unsere Energieversorgung organisieren, treffen wir übrigens selbst", sagte er an die Adresse der Amerikaner. Es handele sich um eine "große Geste" von US-Präsident Joe Biden und ein gutes Signal, dass die diesbezügliche Politik von dessen Amtsvorgänger Donald Trump beendet werde.

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bekräftigte hingegen die ablehnende Haltung ihrer Partei gegenüber diesem Projekt, bei dem es geopolitisch "wirklich um Krieg und Frieden" in der Ukraine gehe. "Die deutsche Bundesregierung steht mit diesem Projekt komplett gegen alle anderen Europäer", gab die Grünen-Vorsitzende zu bedenken.

Bei der Debatte lieferten sich Laschet, Scholz und Baerbock zudem einen Schlagabtausch über die Einhaltung des Nato-Ziels von 2 Prozent Rüstungsausgaben an der Wirtschaftsleistung. Dies sei im Bündnis vereinbart, betonte Laschet. "Diese Aussage, finde ich, steht, und es gibt keinen Grund, dass Deutschland da im Gegensatz zu allen anderen Ländern abweicht." Der Wert gelte auch als "Zielvorgabe" für die neue Regierung. Scholz nahm für die jetzige Regierung in Anspruch, das Ziel "die letzten Jahre sehr pragmatisch gehandhabt" zu haben. Man müsse sich hier weiter "pragmatisch fortbewegen".

Baerbock forderte hingegen eine Neuausrichtung und nannte es "absurd", dass die Zahl steige, wenn zum Beispiel die Wirtschaftsleistung sinke. "Man orientiert es nicht am Sicherheitsinteresse", sagte sie. Das sei ein Kernproblem. "Irgendetwas stimmt nicht in dem System, und das müssen wir ändern", forderte Baerbock.

Mit Blick auf die Europapolitik herrschte hingegen Einigkeit zwischen den drei Kandidaten in der Frage, dass besonders in der Außen- und Sicherheitspolitik das Einstimmigkeitsprinzip aufgegeben werden müsse.

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May 20, 2021 09:58 ET (13:58 GMT)