München (Reuters) - Das Geschäft mit Corona-Tests könnte der Medizintechnik-Tochter von Siemens zusätzlichen Schub geben.

Die Labordiagnostik-Sparte von Siemens Healthineers könne dank der neu entwickelten Tests im gerade angelaufenen Geschäftsjahr 2020/21 mehr als zehn Prozent wachsen, sagte Finanzvorstand Jochen Schmitz am Montag in Erlangen. Für Antigen-Schnelltests, die Beschränkungen für die Allgemeinheit im weiteren Verlauf der Pandemie verhindern könnten, habe er 100 Millionen Euro Umsatz veranschlagt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr hatte die Pandemie das Wachstum von Siemens Healthineers auf Null reduziert, weil Ärzte und Kliniken Routine-Untersuchungen auf die lange Bank schoben. Der Gewinn schrumpfte um zehn Prozent, traf aber die Erwartungen von Vorstand und Analysten. "Wir sind gut durch die Krise gekommen", zog Vorstandschef Bernd Montag ein positives Fazit.

Molekulardiagnostische Tests, mit denen Corona-Infektionen ermittelt werden, sind eigentlich keine Domäne von Healthineers - Weltmarktführer ist Roche. Die Siemens-Tochter ist auf Bluttests im Labor spezialisiert, will aber auch zur Corona-Bekämpfung beitragen. Ein eigener PCR-Test erzielte einen hohen zweistelligen Millionenumsatz - bei einem Umsatz von fast vier Milliarden in der Diagnostik-Sparte. Vor kurzem brachte Siemens Healthineers einen Schnelltest auf den Markt, mit dem etwa Besucher von Altenheimen innerhalb weniger Minuten auf eine Corona-Infektion getestet werden können. Antikörper-Tests, die im Nachhinein eine durchgestandene Infektion zeigen, seien noch kaum gefragt, sagte Finanzvorstand Schmitz. Das werde sich aber ändern, sobald es einen Corona-Impfstoff gebe. Dann lässt sich mit diesen Tests nachweisen, ob die Impfung wirkt.

VERSCHOBENE OPERATIONEN - ÄNGSTLICHE PATIENTEN

Im abgelaufenen Geschäftsjahr zog die Corona-Pandemie das Unternehmen in Mitleidenschaft. Viele Patienten trauten sich wegen der Ansteckungsgefahr nicht mehr in Praxen und Kliniken, die Krankenhäuser verschoben Operationen und Untersuchungen mit Röntgengeräten und Computertomografen, um Corona-Kranke auf den Stationen unterzubringen. Beim Umsatz trat Siemens Healthineers daher mit 14,5 Milliarden Euro auf der Stelle. Der Nettogewinn ging um zehn Prozent auf 1,42 Milliarden Euro zurück, vor allem weil das Ergebnis der Diagnostik-Sparte wegen des rückläufigen Bedarfs an Labor-Reagenzien und einer geringeren Auslastung der Fabriken um mehr als 80 Prozent einbrach. Die Dividende bleibt mit 80 Cent je Aktie dennoch stabil.

2020/21 soll Siemens Healthineers auf Wachstumskurs zurückkehren. Fünf bis acht Prozent mehr Umsatz erwartet Montag dann, und auch der Gewinn dürfte um zehn bis 18 Prozent zulegen. Das Geschäft mit Geräten zur Bildgebung und zur Unterstützung von Operationen soll um mindestens fünf Prozent wachsen, die Diagnostik-Sparte im besten Fall um mehr als zehn Prozent. Die Umsatzrendite vor Steuern und Zinsen (Ebit-Marge) soll sich auf 16,5 Prozent erholen, nachdem sie in der Coronakrise auf 15,5 Prozent geschrumpft war.

Der US-Krebsbehandlungsspezialist Varian, den Siemens Healthineers für 16,4 Milliarden Dollar schlucken will, ist in den Prognosen noch nicht enthalten. Die Genehmigungsprozesse laufen noch, im ersten Halbjahr 2021 soll die Übernahme durch sein. Von der US-Behörde CFIUS, die Auslandsinvestitionen in den USA kontrolliert, erwartet Montag keine Widerstände. Am längsten dürften die Kartellverfahren in Europa und in China dauern. 2,7 Milliarden Euro hat Siemens Healthineers für Varian mit dem Verkauf neuer Aktien schon eingesammelt, eine zweite, womöglich noch größere Kapitalerhöhung steht noch aus. "Wir haben keinen Zeitdruck", betonte Schmitz.