Mediengespräch

Zürich, 16. Dezember 2021

Thomas Jordan

Einleitende Bemerkungen von Thomas Jordan

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich begrüsse Sie herzlich zum Mediengespräch der Schweizerischen Nationalbank. Leider kann unser Treffen wegen der Corona-Pandemie einmal mehr nur virtuell stattfinden.

In meinen Ausführungen werde ich Ihnen zuerst unseren geldpolitischen Entscheid und unsere Einschätzung der Wirtschaftslage erläutern. Fritz Zurbrügg wird über die Entwicklungen im Bereich der Finanzstabilität berichten. Andréa Maechler wird anschliessend über die Lage an den Finanzmärkten, den Endspurt bei der Ablösung des Franken-Libors durch den SARON und das neue Kommunikationsnetzwerk für den schweizerischen Finanzsektor SSFN sprechen. Nach diesen Ausführungen stehen wir Ihnen wie üblich für Fragen zur Verfügung.

Geldpolitischer Entscheid

Ich beginne mit unserem geldpolitischen Entscheid. Die Nationalbank führt ihre expansive Geldpolitik unverändert fort. Wir sichern so die Preisstabilität und unterstützen die Erholung der Schweizer Wirtschaft von den Folgen der Corona-Pandemie. Wir belassen den SNB- Leitzins und den Zins auf Sichtguthaben bei der SNB bei −0,75% und sind nach wie vor bereit, bei Bedarf am Devisenmarkt zu intervenieren, um dem Aufwertungsdruck auf den Franken entgegenzuwirken. Dabei berücksichtigen wir die gesamte Währungssituation. Der Franken ist weiterhin hoch bewertet.

Inflationsprognose

Lassen Sie mich nun auf die Inflationsentwicklung eingehen. Die Teuerung lag im November mit 1,5% etwas höher als an der letzten Lagebeurteilung. Wir gehen aber davon aus, dass die

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Inflation bald ihren Höhepunkt erreicht haben und im Laufe des nächsten Jahres wieder zurückgehen wird.

Unsere neue bedingte Inflationsprognose liegt für dieses und nächstes Jahr leicht über der Prognose vom September (Grafik 1). Der Hauptgrund dafür sind höhere Importpreise, vor allem für Erdölprodukte und für Waren, die von globalen Lieferengpässen betroffen sind. In der längeren Frist ist die Inflationsprognose gegenüber jener vom September praktisch unverändert. Für 2021 liegt unsere neue Prognose bei 0,6%, für 2022 bei 1,0% und für 2023 bei 0,6% (Tabelle 1). Damit liegt die prognostizierte Inflation durchgehend im Bereich der Preisstabilität. Die bedingte Inflationsprognose beruht auf der Annahme, dass der SNB- Leitzins über den gesamten Prognosezeitraum bei −0,75% bleibt.

Internationale Wirtschaftsaussichten

Ich komme zu den Wirtschaftsaussichten. Die Corona-Pandemie prägt die internationale Wirtschaftslage weiterhin. So lagen Produktion und Beschäftigung im dritten Quartal in zahlreichen Ländern immer noch unter dem Vorkrisenniveau, und neue Ansteckungswellen beeinträchtigen die Wirtschaftsaktivität immer wieder. Hinzu kommen Lieferengpässe in einigen Branchen der Industrie. Diese sind auf eine starke Erholung der Warennachfrage und Störungen in den internationalen Produktionsketten zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund verlangsamte sich die globale Wirtschaftserholung im dritten Quartal etwas. Gleichzeitig lag die Teuerung sowohl in den USA als auch in der Eurozone auf ungewohnt hohen Niveaus. Hierfür sind vor allem die erwähnten Lieferschwierigkeiten und die gestiegenen Energiepreise verantwortlich. Zusätzlich tragen Einmaleffekte wie die Erholung jener Preise, die letztes Jahr wegen der Pandemie stark gesunken waren, zum Anstieg der Inflation bei.

Wir gehen in unserem Basisszenario für die Weltwirtschaft davon aus, dass trotz der aktuell ungünstigen Pandemieentwicklung keine erneuten weitreichenden Eindämmungsmassnahmen erforderlich sein werden. Die Konjunkturerholung sollte sich somit fortsetzen, wenn auch etwas gedämpft. Gleichzeitig dürften die in verschiedenen Branchen der Industrie bestehenden Lieferengpässe noch einige Zeit bestehen bleiben und zu Preiserhöhungen bei betroffenen Waren führen. Mit einer Entspannung der Lieferengpässe, der Stabilisierung der Energiepreise und dem Wegfall verschiedener Einmaleffekte dürfte die Inflation im Ausland aber im Verlauf des nächsten Jahres wieder auf moderatere Niveaus sinken.

Unser Szenario für die Weltwirtschaft unterliegt grosser Unsicherheit und ist mit Risiken in beide Richtungen behaftet. Einerseits könnte sich die Pandemielage nochmals verschlechtern und die Konjunktur abermals deutlich beeinträchtigen. Andererseits könnten die seit Ausbruch der Pandemie getroffenen wirtschaftspolitischen Massnahmen die Erholung stärker stützen als im Basisszenario angenommen. Auch die Unsicherheit über die Entwicklung der Inflation im Ausland ist momentan erhöht.

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Wirtschaftsaussichten für die Schweiz

Wie sehen die Wirtschaftsaussichten für die Schweiz aus? In der Schweiz hat sich die wirtschaftliche Erholung fortgesetzt. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) nahm im dritten Quartal erneut kräftig zu und lag damit erstmals über seinem Vorkrisenniveau. Auch am Arbeitsmarkt verbesserte sich die Lage weiter. Das BIP dürfte dieses Jahr um rund 3,5% wachsen. Dies ist leicht stärker, als wir im September erwartet hatten, da sich einige Dienstleistungsbranchen wie das Gastgewerbe dynamischer als damals angenommen entwickelt haben. Zuletzt verlor die Konjunktur allerdings wieder etwas an Schwung. Lieferengpässe stellen auch für Schweizer Unternehmen eine Herausforderung dar. Sie haben das Wirtschaftswachstum nach unserer Einschätzung bisher aber wenig beeinträchtigt.

In unserem Basisszenario für die Schweiz gehen wir davon aus, dass sich die Konjunkturerholung nächstes Jahr fortsetzt. Eine wichtige Annahme dabei ist, dass zur Bekämpfung der Pandemie keine Massnahmen ergriffen werden müssen, die die Wirtschaftsaktivität zusätzlich beeinträchtigen würden. Vor diesem Hintergrund rechnen wir für 2022 mit einem BIP-Wachstum von rund 3%. Die Arbeitslosigkeit dürfte noch einmal etwas zurückgehen, und die Auslastung der Produktionskapazitäten sollte sich weiter normalisieren.

Wie für das Ausland unterliegt auch die Prognose für die Schweiz einer grossen Unsicherheit. Die Wirtschaftsentwicklung über die nächsten Quartale hängt massgeblich davon ab, ob sich die Pandemielage weiter verschärft und welche zusätzlichen Eindämmungsmassnahmen ergriffen werden.

Aktuelle Wechselkursentwicklung und geldpolitischer Ausblick

Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund der jüngsten Wirtschaftsentwicklung und unseres Inflationsausblicks bleibt unsere expansive Geldpolitik nach wie vor angebracht. Wir stellen angemessene monetäre Bedingungen sicher, indem wir den SNB-Leitzins bei −0,75% halten und bei Bedarf am Devisenmarkt intervenieren. Dadurch unterstützen wir die wirtschaftliche Erholung und halten die Teuerung im Bereich der Preisstabilität.

Ich möchte zum Abschluss meiner Bemerkungen noch etwas näher auf die gegenwärtige Wechselkurssituation eingehen. Ihre Interpretation ist im Hinblick auf unsere Geldpolitik wegen den angestiegenen internationalen Inflationsdifferenzen schwieriger geworden.

Der Franken hat sich seit der letzten Lagebeurteilung nominal und handelsgewichtet nochmals um 3% aufgewertet, seit Beginn der Pandemie sind es sogar 6%. Trotzdem betrachten wir den Franken unverändert als hoch bewertet. Weshalb ist das so? Der Grund ist die Inflation im Ausland, die zurzeit spürbar höher ist als in der Schweiz. Die nominale Aufwertung bedeutet daher nicht eine reale Aufwertung im gleichen Ausmass. Vielmehr hat sich der reale handelsgewichtete Wechselkurs des Frankens, bei dem Inflationsunterschiede zwischen dem In- und Ausland berücksichtigt werden, seit Pandemiebeginn kaum verändert. Damit hat sich unsere Einschätzung, dass der Franken weiterhin hoch bewertet ist, nicht geändert.

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Gleichzeitig konnten wir einen grösseren Anstieg der Inflation in der Schweiz verhindern, indem wir eine gewisse nominale Aufwertung zugelassen haben. Die nominale Aufwertung des Frankens hat dem Preisanstieg entgegengewirkt, weil sie Importe verbilligt. Die Frankenaufwertung der letzten Monate hat also dazu beigetragen, die Preisentwicklung in der Schweiz vergleichsweise tief zu halten.

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Ausblick sagen. Wir befinden uns heute in einer Situation, in der die Unsicherheit über den weiteren Pandemieverlauf und die zukünftige Ausrichtung der internationalen Geldpolitik gross ist. Wir wissen inzwischen alle hinlänglich, dass Unsicherheit immer wieder zu erhöhter Nachfrage nach Franken führen und verstärkten Aufwertungsdruck auslösen kann. Dies könnte rasch wieder die Konjunktur belasten und je nachdem sogar die Inflation wieder in den negativen Bereich fallen lassen. Wir werden deshalb weiterhin die Entwicklung des Frankenkurses genau beobachten und in unserer Analyse die gesamte Währungssituation berücksichtigen. Und wir werden bei Bedarf reagieren, um die Preisstabilität in der Schweiz zu gewährleisten und die konjunkturelle Erholung weiter zu unterstützen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und übergebe das Wort nun an Fritz Zurbrügg.

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