Von Telis Demos

NEW YORK (Dow Jones)--Investoren sollten die Dividenden und Aktienrückkäufe der großen US-Banken im Moment genießen. Kommendes Jahr werden sie vielleicht nicht den gleichen Schub bekommen.

Nach den Ergebnissen des Stresstests der US-Notenbank Fed von vergangener Woche, den die Banken mit Bravour bestanden haben, greifen die Finanzhäuser vielfach zu höheren Dividenden und erweiterten Aktienrückkaufplänen. Das sind sehr gute Nachrichten für Aktionäre, die im vergangenen Jahr Bankaktien die Treue hielten, und auf diese Kapitalerträge gesetzt hatten. Damals lief es schlecht für sie, als die Geldhäuser keine großen Ausschüttungen mehr vornehmen konnten. Aber dennoch weiter auf Bankentitel zu setzen, erfordert vielleicht reichlich Vertrauen in die zugrunde liegende Wirtschaft der Kreditvergabe.


   Analysten sind weniger optimistisch 

Zum einen wird erwartet, dass das Ertragswachstum wohl nicht mehr den Rückenwind liefern wird, der es in letzter Zeit gewesen ist. Es wurde zum Teil von einer Welle von bestimmten Wall-Street-Aktivitäten angetrieben, die abebben könnte, während die Zinsen und Kreditvolumina nur langsam wieder nach oben gehen. Die Analystenschätzungen für den Gewinn je Aktie der S&P-500-Banken sind laut Factset derzeit für 2022 niedriger als für 2021.

Zudem haben die Banken wahrscheinlich noch weitere Auflösungen von Rückstellungen für Kreditausfälle vor sich. Das wird sicherlich die Erträge steigern. Aber es dürfte auch einen etwas begrenzteren Nutzen für das Kapitalniveau haben, da die Banken von den Aufsichtsbehörden die Erlaubnis erhielten, einige der negativen Auswirkungen der Reserven auf das Kapital während der Pandemie zu verschieben.

Auflösungen von Reserven bedeuten eben auch, dass die Banken kleinere Verlustpolster für die Stresstests im kommenden Jahr haben. Vermutlich werden aber auch die Testszenarien etwas weniger düster ausfallen, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen weiter deutlich verbessern.


   Goldman Sachs könnte besser abschneiden 

In der Zwischenzeit könnten auch die Kapitalanforderungen, die nicht mit den Stresstests in Verbindung stehen, einen stärkeren Druck ausüben. Die von den größten Banken wegen ihrer globalen Systemrelevanz geforderten zusätzlichen Kapitalpuffer scheinen zu steigen. In der Zwischenzeit haben die enormen Einlagenzuflüsse die Banken auch näher an ihre Leverage-Ratio-Grenzen gebracht. Die Fed könnte all diese Regeln neu kalibrieren, aber die Wahrscheinlichkeit oder das Ergebnis dieser Anpassungen ist schwer vorherzusagen.

Investoren, denen die Ausschüttungen an die Aktionäre wichtig sind, müssen sich vielleicht ein wenig mehr mit den Details beschäftigen. Goldman Sachs zum Beispiel arbeitet daran, seine Kapitalintensität zu reduzieren, indem sie alternative Anlagen nicht mehr selbst besitzt, sondern über Fonds verwaltet, um stetige Gebühren für die Vermögensverwaltung zu verdienen. Der Finanzkonzern könnte in der Lage sein, bei zukünftigen Stresstests besser abzuschneiden und seine Anforderungen zu senken, indem er mehr von diesen volatilen Anlagen abstößt, unabhängig von anderen makroökonomischen Faktoren.


   Morgan Stanley verdoppelt Dividendenausschüttung 

Dieses Potenzial dürfte auch billiger sein im Vergleich zu Morgan Stanley, das schon weiter auf dem Weg der Vermögenstransformation ist und bereits mit einem Bewertungsaufschlag gehandelt wird. Morgan Stanley kündigte am Montag eine Verdoppelung der Dividende und eine Aufstockung der Aktienrückkaufkapazitäten aufzustocken, um seine Kapitalbasis "zurückzusetzen". Goldman erhöht derweil die Dividende um einen geringeren Prozentsatz und stockte den bestehenden Rückkaufplan nicht auf.

Generell müssen die Investoren aber vielleicht erst einmal ihren Blick auf das Kapital ändern - vor allem, wenn sie meinen, dass sich die Wirtschaft verbessert, was zu einem Kreditwachstum und höheren Zinsen führen würde. Größer kann im Bankwesen oft besser sein. Banken, die zu sehr abspecken, um Kapital freizusetzen, das sie zurückgeben wollen, könnten damit beginnen, die längerfristige Ertragskraft genau zum falschen Zeitpunkt zu opfern.

Letztlich ist es nicht das Kapital, das für Investoren wirklich zählt, sondern die Rendite auf das Kapital.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/smh

(END) Dow Jones Newswires

June 29, 2021 09:30 ET (13:30 GMT)