Frankfurt (Reuters) - Die in vielen Ländern weiter steigenden Zinsen bleiben für die europäischen Aktienmärkte ein Bremsklotz.

Der deutsche Leitindex Dax rutschte am Donnerstag unter die psychologisch wichtige Marke von 16.000 Punkten und fiel bis zum Nachmittag um ein halbes Prozent auf 15.948 Zähler. Der EuroStoxx50 verlor 0,8 Prozent, während die US-Futures in Erwartung geldpolitischer Aussagen von Notenbank-Chef Jerome Powell vor dem Banken-Ausschuss im Kapitol ebenfalls schwächer notierten.

Powell hatte bei seiner Kongress-Anhörung am Mittwoch bereits eine weitere Straffung der Geldpolitik angedeutet und die Stimmung an den Börsen damit getrübt. Investoren erwarten nach der jüngsten Beibehaltung der Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent eine Zinserhöhung der Fed im Juli. Ob darüber hinaus, noch weitere Schritte zu erwarten sind, gilt als unsicher. "Powell ließ sich (...) nicht in die Karten blicken", urteilte Marktanalyst Jochen Stanzl von CMC Markets. Die Fed wolle abwarten und halte sich die Möglichkeit weiterer Leitzinsanhebungen offen. "Viele Anleger hatten sich dagegen ein klares Signal in Richtung Ende erhofft."

BOE MIT GROSSEM ZINSSCHRITT - TÜRKEI WENIGER ALS ERWARTET

In London überraschte die britische Notenbank die Investoren mit einer kräftigen Zinserhöhung um einen halben Punkt auf 5,0 Prozent - das höchste Niveau seit 2008. Doch damit ist angesichts der alarmierend hohen Teuerung auf der Insel das Ende der Fahnenstange wohl noch nicht erreicht. "Viele Kapitalmarktteilnehmer gehen davon aus, dass die BoE ihren Erhöhungskurs erst bei einem Leitzins von sechs Prozent beenden wird", sagte Ökonom Dirk Chlench von der LBBW. "Diese Spekulationen erscheinen uns indes etwas überzogen." Das Pfund Sterling begab sich auf Richtungssuche und stand zuletzt kaum verändert bei 1,2770 Dollar. Der Schweizer Franken stand etwas schwächer, nachdem die Notenbank dort die Zinsen um 25 Basispunkte angehoben hat. In Norwegen wurden die Zinsen um 50 Basispunkte erhöht, was der Landeswährung Krone Aufwind verschaffte.

Die türkische Lira tauchte hingegen auf ein Rekordtief - der Dollar stand bis zu 4,6 Prozent höher bei 24,60 Lira. Zwar verließ die türkische Zentralbank ihren ultralockeren Kurs und hob die Zinsen von 8,5 auf 15,0 Prozent an. Von Reuters befragte Ökonomen hatten allerdings mit einem noch größeren Schritt nach oben auf 21,0 Prozent gerechnet.

Für Gesprächsstoff am Aktienmarkt sorgte ein Kursplus bei Covestro von bis zu 3,7 Prozent auf ein 15-Monats-Hoch von 48,88 Euro. Der Kunststoffkonzern weist einem Bericht der Nachrichtenagentur "Bloomberg" zufolge einen Übernahmevorstoß des Ölkonzerns Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) als zu niedrig zurück.

Übernahmespekulationen trieben auch die Aktien der britischen Ocado Group in die Höhe. An dem Online-Supermarkt und Technologieunternehmen könnten einem Bericht der Zeitung "The Times" zufolge mehrere US-Konzerne Interesse haben, darunter auch der Online-Riese Amazon. Die Aktien steuerten mit einem Plus von bis zu 46,7 Prozent auf ihren bislang größten Tagesgewinn zu und standen mit 631 Pence so hoch wie seit knapp vier Monaten nicht mehr. Seit Jahresbeginn haben die Titel rund 30 Prozent verloren.

In Paris griffen Anleger nach der geplatzten Fusion mit Intelsat beim Satellitenbetreiber SES hingegen zu - die Titel gewannen zeitweise fast sechs Prozent. Ein möglicher Zusammenschluss hätte einen Wert von mehr als zehn Milliarden Euro gehabt. Das Fusions-Aus werde es SES ermöglichen, seine Schulden nun erheblich abzubauen und Gewinnausschüttungen an seine Aktionäre vorzunehmen, sagten die Analysten von Société Générale.

(Bericht von: Anika Ross, Daniela Pegna.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)