KIEL (dpa-AFX) - Mit einem neuen Kooperationsmodell will die Arbeitsagentur bundesweit die Chancen von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt verbessern. "Viele von ihnen, besonders die älteren, wollen sich qualifizieren, müssen aber zunächst Geld verdienen", sagte die Chefin der Regionaldirektion Nord, Margit Haupt-Koopmann, der Deutschen Presse-Agentur. Das Modell für jene, bei denen aktuell eine Berufsausbildung nicht infrage kommt, sieht so aus: Ein Flüchtling absolviert in einem Betrieb ein bis zu dreimonatiges Praktikum und wenn es passt, wird er danach zunächst befristet eingestellt. Dann können sich Arbeits- und Qualifizierungsphasen abwechseln.

2016 waren in Schleswig-Holstein durchschnittlich 4900 Flüchtlinge aus den Haupt-Herkunftsländern - Syrien, Irak, Iran, Nigeria, Somalia, Eritrea, Pakistan und Afghanistan - arbeitslos gemeldet.

Während des Praktikums werden mit einem Test die Kompetenzen des Flüchtlings ausgelotet. Die Arbeitsagentur bezahlt das Praktikum und übernimmt später die Lohnkosten für die Zeit, in der die Flüchtlinge Qualifizierungsangebote nutzen. "Wenn im Winter zum Beispiel auf dem Bau oder im Gastgewerbe keine Saison ist, können sie sich weiter qualifizieren", erläuterte Haupt-Koopmann.

Viele Flüchtlinge begännen auch nicht bei Null. So hätten 75 Prozent im Durchschnitt in der Heimat mehrere Jahre gearbeitet, verfügten also über einige Berufserfahrung. Und 55 Prozent seien zehn Jahre lang zur Schule gegangen. 10 Prozent hätten allerdings keine Schule besucht und noch einmal 10 Prozent nur Grundschulkenntnisse. "70 Prozent haben keinen anerkannten Berufsabschluss nach deutschem Standard", sagte Haupt-Koopmann. "Wir wollen die Flüchtlinge, die ihre Sprachkurse absolviert haben, so schnell wie möglich in Beschäftigung bringen." Das gehe natürlich nur in Zusammenarbeit mit den Unternehmen.

Gerade kleinere Betriebe seien auf sogenannte Kümmerer bei Praktika und Beschäftigung der Flüchtlinge angewiesen. "Das gilt für die Wohnungssuche ebenso wie für eine Konto-Eröffnung oder andere Alltagsfragen", sagte Haupt-Koopmann. "Wir werden über dieses Modell Unterstützung anbieten, die bei der Lösung der Alltagsprobleme den Betrieben und den Flüchtlingen unter die Arme greift."

Haupt-Koopmann rief die Unternehmen auf, die Chancen des Modells zu nutzen. Mit der Verzahnung von Arbeit und Qualifizierung hätten Arbeitgeber und Arbeitsagentur in den vergangenen Jahren schon bei Deutschen gute Erfahrungen gesammelt. "Ich bin zuversichtlich - das wird was", sagte Haupt-Koopmann. 2017 will die Arbeitsagentur das Modell gezielt mit Flüchtlingen vorantreiben; Gespräche mit potenziellen Partnern sind schon im Gange.

"Allerdings müssen die Arbeitgeber ihre Erwartungen an das Sprachniveau der Flüchtlinge herunterschrauben", sagte Haupt-Koopmann. Anstelle des für einen Berufsabschluss erforderlichen B2-Niveaus reiche für den Start auch eine Stufe darunter. In welchem Umfang das Modell greifen könnte, wollte die Regionaldirektorin der Arbeitsagentur nicht prognostizieren. "Erst wollen wir Arbeitgeber gewinnen und sie davon überzeugen, dass es machbar ist und ihnen perspektivisch hilft, ihren Fachkräftebedarf zu decken."/wsz/DP/he