Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Autobauer melden reihenweise Gewinnsteigerungen, auch wenn sie von nichts anderem reden als davon, das Rad neu zu erfinden. Ford, Volkswagen und Nissan haben in den vergangenen zwei Tagen gute Quartalsergebnisse veröffentlicht und ihre Prognosen für das Gesamtjahr angehoben. Das gemeinsame Thema, das sich vermutlich auch durch die Berichte von GM und Stellantis in der kommenden Woche ziehen wird, sind die ungewöhnlich hohen Gewinnspannen aufgrund davoneilender Fahrzeugpreise und ein profitabler Verkaufsmix.

Die anhaltende Halbleiterknappheit hat den üblichen Wettbewerb zwischen den Händlern entschärft und die Hersteller dazu verleitet, profitableren Modellen den Vorzug zu geben. Für Anleger stellt sich die Frage, ob diese Bedingungen - günstig für die Hersteller, weniger günstig für die Verbraucher - von Dauer sein können. Mit ziemlicher Sicherheit lautet die Antwort nein. Dennoch gibt es einiges, das die Automobilhersteller gerne zur Gewohnheit machen möchten, während sie ihre Beziehung zu den Verbrauchern überdenken.

Sowohl Ford als auch Volkswagen machten Andeutungen über die Beibehaltung der Preisdisziplin, auch wenn die Knappheit der Mikrochips und damit der Autos nachlässt. Doch das ist leichter gesagt als getan. Die Branche kämpft seit jeher mit freien Produktionskapazitäten. Dem Bemühen um höhere Auslastung folgen in der Regel überhöhte Lagerbestände, sei es auf den Höfen der Händler oder in den Bilanzen der Unternehmen. Damit steigt auch die Versuchung, den Absatz durch Rabatte anzukurbeln.

Die freien Kapazitäten werden wahrscheinlich noch zunehmen, da die Hersteller Milliarden ausgeben, um die Produktion von Elektrofahrzeugen hochzufahren. Einige sprechen bereits davon, den Bau von Verbrennungsmotoren auslaufen zu lassen. Dabei weiß noch niemand, wie schnell die Verbraucher Elektro-Fahrzeuge annehmen werden. Flexibilität wird also gefragt sein, die mit Überkapazitäten bei dieser oder jener Technologie einhergehen wird. Die Beibehaltung der Preisdisziplin in einem solchen Umfeld scheint ein Hirngespinst zu sein.

Die gute Nachricht für Anleger ist, dass diese auf die Hardware fokussierte Sichtweise der Autoindustrie nicht mehr das Ein und Alles ist. Sowohl Ford als auch Volkswagen haben in den letzten Monaten Strategien vorgestellt, die darauf abzielen, mit Hilfe von Over-the-Air-Updates für Fahrzeuge eine engere Bindung zu ihren Kunden aufzubauen und ihnen softwarebasierte Dienstleistungen zu verkaufen.

Diese Woche berichteten die Unternehmen über weitere Schritte zum Aufbau direkter Beziehungen zu den Verbrauchern. Ford erklärte, das Unternehmen verfüge über eine rasch wachsende "Bestellliste" mit Käufern als Alternative zum traditionell händlerbasierten Modell. Volkswagen kündigte zusammen mit Finanzpartnern die Übernahme von Europcar an, einem an der Pariser Börse notierten Autovermieter, den das Unternehmen unter anderem wegen seiner Berührungspunkte mit ganz unterschiedlichen Typen von Verbrauchern ins Auge fasste. Dafür ist Volkswagen bereit, 2,9 Milliarden Euro auszugeben.

Die Anleger haben in diesem Jahr traditionellen Autoaktien zum Aufstieg verholfen. Zum einen liegt das daran, dass sie die Branche als Nutznießer der Inflation ansehen, zum anderen, dass Elektroautos wie der Ford Mustang Mach-E und der Volkswagen ID.4 bei den Verbrauchern offenbar gut ankommen - obwohl beide in der Verkaufsliga noch weit hinter Teslas Äquivalenten rangieren.

Um ihre aktuellen Bewertungen auszubauen, müssen Ford und VW den Abstand zu Tesla weiter verringern und gleichzeitig ein Softwaregeschäft etablieren, das ihnen eine neue Art von Preismacht verleiht.

Der derzeitige Anstieg der Fahrzeugpreise wird jedenfalls nicht von Dauer sein. Wenn die Automobilhersteller jedoch ihre strategischen Ziele erreichen, könnten sich Wege auftun, auch niedrigere Preise zu kompensieren.

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July 30, 2021 03:47 ET (07:47 GMT)