Von Jon Sindreu

CHICAGO (Dow Jones)--Boeing verdient wieder Geld. Um die Zuneigung der Anleger zurückzugewinnen, braucht es aber noch etwas mehr. Am Mittwoch sprangen die Aktien des Flugzeugbauers aus Chicago um fast sechs Prozent nach oben. Ziemlich überraschend hatte das Unternehmen gerade einen Gewinn von 567 Millionen US-Dollar für das zweite Quartal gemeldet. Zum ersten Mal seit dem dritten Quartal 2019 weist Boeing damit einen Nettogewinn aus. Die doppelte Belastung durch die Pandemie und das Flugverbot für den 737 MAX-Jet hatte dem Unternehmen zwischenzeitlich arg zugesetzt.

Die Erholung ist teilweise auf höhere Gewinnmargen in den Bereichen Verteidigung und Dienstleistungen zurückzuführen, aber auch die Sparte Verkehrsflugzeuge übertraf die Erwartungen. Das Unternehmen verzeichnete im Berichtszeitraum einen Umsatzsprung von 268 Prozent und konnte - wie bereits berichtet - 180 Netto-Neubestellungen verbuchen, darunter MAX-Käufe im großen Umfang durch United Airlines und Southwest Airlines. Damit setzte sich Boeing vor die jüngsten Verkaufserfolge des europäischen Rivalen Airbus.


   Höhere Auslieferungen 

Entscheidend war, dass Boeing in den drei Monaten bis Juni 50 Flugzeuge des Typs 737 ausliefern konnte und damit einen größeren Teil seines riesigen Bestands an geparkten Jets endlich loswurde. Auch dank der dringend benötigten Vorauszahlungen im Anschluss an die neuen Aufträge verringerte sich der vierteljährliche Barmittelabfluss bei Boeing auf lediglich 705 Millionen US-Dollar. Die Wall Street hatte mit einem Abfluss von fast drei Milliarden US-Dollar gerechnet. Für Boeing war der Nachweis, dass das Unternehmen seine Produktions- und Auslieferungsziele für die MAX zu erfüllen in der Lage ist, von erheblicher Bedeutung.

Der Aktienkurs des Unternehmens blieb in den letzten Monaten deutlich hinter dem von Airbus zurück. Denkt man an die vielen aufsehenerregenden Pannen, in die der US-Flugzeughersteller in letzter Zeit verwickelt war, grenztees dennoch an ein Wunder, dass die Fünfjahresperformance der beiden Unternehmen bis vor kurzem in etwa gleich war. Anleger sollten aber nicht vergessen, dass die hausgemachten Probleme von Boeing nicht einfach verschwinden werden, auch wenn das Schlimmste für die Luft- und Raumfahrtunternehmen überstanden ist.


   Besserer Cash-Flow 

Ein weiterer wahrscheinlicher Grund für den besser als erwarteten freien Cashflow des Unternehmens war die Senkung der Produktionsraten für das Flaggschiff unter den Großraumflugzeugen, den 787 Dreamliner. Dieser wird seit Ende 2020 von Qualitätsproblemen geplagt. Während der Bestand an geparkten MAX-Flugzeugen jetzt abgebaut wird, rücken die größeren 787-Maschinen an deren Stelle. Etwa 100 davon stehen auf Halde, und während Boeing ursprünglich plante, sie alle in diesem Jahr auszuliefern, geht das Unternehmen nun davon aus, dass die endgültige Zahl bei weniger als der Hälfte liegen wird.

Mancher mag das für ein kurzfristiges Problem halten, das nur die Ergebnisse des Jahres 2021 betrifft. Aber Lieferverzögerungen von zwölf Monaten oder mehr geben den Fluggesellschaften oft das vertragliche Recht, Aufträge zu stornieren. Einige könnten versucht sein, davon Gebrauch zu machen, denn der Markt für Großraumflugzeuge war schon vor Covid-19 überversorgt. Und nun leidet er auch noch unter Corona-Varianten, die den Verkehr auf Interkontinentalverbindungen lahmlegen.

Schließlich sind da noch die Probleme mit der hochmodernen Boeing 777X, die bei den Flugtests auf weitere Zertifizierungshürden gestoßen ist. In der Folge droht sich die erste Auslieferung auf 2024 zu verschieben. Da aber erst dann mit der Rückkehr des Langstreckenverkehrs auf das Niveau vor der Pandemie gerechnet wird, fällt die lange Verzögerung weniger ins Gewicht, als es früher der Fall gewesen wäre. Dennoch gesellt sich dieses Problem zu anderen Wettbewerbsschwächen, wie dem Fehlen eines Mittelstreckenflugzeugs, das mit dem Airbus A321XLR konkurrieren kann. Die jüngsten Quartalsergebnisse zeigen: Boeing erwacht endlich aus einer langen und unruhigen Nacht. Um wieder zu Airbus aufzuschließen, muss das Unternehmen jedoch beweisen, dass es immer noch erstklassige Flugzeuge bauen kann.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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(END) Dow Jones Newswires

July 29, 2021 03:42 ET (07:42 GMT)