- von Tom Käckenhoff und Emma-Victoria Farr und Alexander Hübner

Düsseldorf/Frankfurt/Berlin (Reuters) - Die Gewerkschaft IG Metall ist offen für einen Einstieg des US-Finanzinvestors Carlyle bei der Marine-Tochter von Thyssenkrupp, macht jedoch für eine Zustimmung eine Beteiligung des Bundes zur Bedingung.

"Einen Verkauf an Private-Equity-Investoren kann es nur geben, wenn der Staat seine Verantwortung wahrnimmt und einsteigt, um den Marineschiffbau als Schlüsseltechnologie langfristig zu sichern", hieß es in einem der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vorliegenden Newsletter der IG Metall Küste. Dafür gebe es zurzeit breite politische Unterstützung. Thyssenkrupp hatte mitgeteilt, dass Carlyle die Bücher von Thyssenkrupp Marine Systems prüfe. Man führe aber parallel auch mit dem Bund Gespräche.

Die bei Thyssenkrupp stark vertretene IG Metall könnte einen Verkauf des Geschäfts mit U-Booten und Kriegsschiffen an Carlyle zwar nicht verhindern. Eine Übernahme gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wäre aber schwer umzusetzen und käme bei dem auf Ausgleich mit Betriebsräten und Gewerkschaft setzenden Ruhrkonzern einem Tabubruch gleich. Chef von Thyssenkrupp Marine Systems ist Konzern-Vorstandsmitglied Oliver Burkhard, der frühere Chef der IG Metall Nordrhein-Westfalen.

Die IG Metall wolle jetzt rasch mit Carlyle verhandeln, sagte ein Sprecher der IG Metall Küste zu Reuters. "Wir sind vorbereitet." Standorte, Arbeitsplätze, Investitionen, Tarifverträge und die Mitbestimmung müssten gesichert bleiben. Der Bund solle sich mindestens mit einer Sperrminorität an Marine Systems beteiligen. "Wir bitten um Verständnis, dass wir zu laufenden Vorgängen der Bundesregierung keine Stellung nehmen können", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Es gebe noch keine Vorlage für eine Entscheidung, verlautete aus Regierungskreisen. Carlyle bestätigte sein Interesse an dem Marinegeschäft, wollte sich aber nicht zu Details äußern.

Finanzinvestoren sind in der deutsche Rüstungsindustrie keine Neulinge. KKR etwa hatte den Rüstunsgselektronik-Hersteller Hensoldt aus Airbus herausgelöst und später an die Börse gebracht. Der Staat hatte sich dabei zunächst ein Mitspracherecht und später eine Sperrminorität von 25 Prozent gesichert. Die Beteiligungsgesellschaft Triton profitierte beim Panzergetriebehersteller Renk vom unerwarteten Rüstungsboom und vervielfachte ihren Einsatz bei dessen Rückkehr an die Börse. Carlyle gehören in Deutschland unter anderem der Bahntechnik-Zulieferer Schaltbau und die ehemalige Siemens-Getriebetochter Flender.

STEIGENDE RÜSTUNGSNACHFRAGE TREIBT GESCHÄFTE

Ein Insider hatte den Firmenwert von Marine Systems auf 1,2 bis 1,6 Milliarden Euro taxiert. Die Bundesregierung hatte die Staatsbank KfW beauftragt, einen Einstieg des Staates zu prüfen. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius habe dies bei einem Besuch auf der Werft in Kiel im September vergangenen Jahres angekündigt, erklärte die Gewerkschaft. Die IG Metall sei dazu weiter mit dem Minister im Kontakt. Mit einigen Monaten Verzögerung sei die Prüfung Anfang des Jahres angelaufen. "Ende März soll ein Zwischenbericht, in dem alle möglichen Optionen diskutiert werden, vorliegen. Auf dessen Grundlage will die Bundesregierung dann entscheiden, ob und wie sie den Einstieg weiter vorantreibt."

Thyssenkrupp prüft seit dem vergangenen Jahr, wie es mit der Tochter weitergehen soll. Dabei gehe es um einen möglichen Teilverkauf von Thyssenkrupp Marine Systems an Carlyle, erklärte der Konzern. Die Einbindung von Carlyle schließe die parallele Sondierung weiterer Möglichkeiten der Verselbstständigung über den Kapitalmarkt nicht aus. Zeitgleich liefen Gespräche mit der Bundesregierung.

Die weltweit wachsende Nachfrage nach U-Booten, Marineschiffen sowie Über- und Unterwassertechnologie sorge für zusätzliche Wachstumschancen für Thyssenkrupp Marine Systems, erklärte der Konzern. Durch die eigenständige Aufstellung der Sparte sollten diese Chancen besser genutzt werden. Die Eigenständigkeit wäre zudem ein guter Ausgangspunkt für eine mögliche nationale und europäische Konsolidierung. Thyssenkrupp Marine Systems beschäftigt rund 7800 Mitarbeiter, davon 3100 am größten deutschen Werftenstandort in Kiel. Frühere Gespräche über eine Konsolidierung mit der Bremer Lürssen-Werft oder dem italienischen Konzern Fincantieri verliefen im Sande.

(Bericht von Tom Käckenhoff, Emma-Victoria Farr, Alexander Hübner. Mitarbeit: Christian Krämer, Alexander Ratz; redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)